Griechenland-Krise : Schuldenschnitt auch ohne Grexit möglich
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Alten Staub abschütteln: Die Säulen Griechenlands sollen zukünftig nicht mehr die Staatsschulden sein. Bild: AP
Griechenlands Schuldenlast kann und muss im Euroraum erleichtert werden. Das ist rechtlich auch ohne Grexit möglich. Bei den Verhandlungen mit Athen sollte dies Thema sein. Ein Gastbeitrag.
Der wohl größte Schaden der Konfrontation mit Griechenland ist ein allgemeiner Vertrauensverlust. Damit Griechenland wieder wachsen kann, müssen die Menschen, Unternehmen und Investoren wieder Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Landes fassen. Hierzu bedarf es natürlich einerseits einer legitimen und kompetenten Regierung sowie einer effizienten Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Aber auch die Frage der Schulden ist zentral, selbst wenn kurzfristig der Schuldendienst derzeit vernachlässigbar ist. Niemand bezweifelt die Analyse des IWF, dass die Nachhaltigkeit der griechischen Staatsschulden eine Schlüsselvoraussetzung für eine Gesundung bildet.
Das dritte Programm, das nun verhandelt wird, soll zunächst Griechenland dahin zurückbringen, wo es Ende 2014 stand, als es eine Wachstumserwartung von fast 3 Prozent gab. Das dritte Hilfsprogramm ist daher genau das Gegenteil von einem Transferprogramm: Es soll die griechische Wirtschaft stärken und die Kredite und Garantien der Gläubiger schützen. Ein Großteil der Zahlungen wird in die Umschuldung gehen. Doch dies reicht nicht aus: Die derzeitige Verknüpfung von Schuldendienst mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion führt zu einem Teufelskreis, der die Unsicherheit erhöht, das Wachstum schwächt und damit eine Rückzahlung der Schulden unwahrscheinlicher macht. Es wird kein Vertrauen und kein Wachstum in Griechenland ohne eine Lösung des Schuldenproblems geben.
Dieser Teufelskreis muss durch eine Bindung der Kreditzinsen an das Wachstum der griechischen Wirtschaft und ein zusätzliches konditionelles Schuldenmoratorium durchbrochen werden. Ein Griechenland ohne Wachstum soll keine Zinsen und keine Tilgung zahlen. Je stärker das Wachstum, desto höher die Zinsen und Rückzahlungen an die europäischen Gläubiger. Das Schuldenmoratorium bedeutet, dass Griechenland im Jahre 2022, wenn es nach der derzeitigen Regel den Schuldendienst an seine europäischen Gläubiger aufnehmen muss, die Rückzahlung verschieben und die Zinslast senken kann, wenn es nicht ein bestimmtes Niveau des Bruttoinlandsprodukts erreicht.
Eine solche Lösung würde die Unsicherheit beenden und griechisches Wachstum als europäisches Anliegen sowie Voraussetzung für seinen Schuldendienst anerkennen. Stabilität und Planungssicherheit kehrten zurück. Der derzeitigen politischen Konfrontation würde der Nährboden entzogen. Ein solcher Ansatz nimmt keineswegs alle Anreize für Reformen. Eine Regierung wird stets ein großes Interesse an wachstumsfördernden Reformen haben, um etwa Arbeitslosigkeit abzubauen. Natürlich wird viel Sorgfalt erforderlich sein, das Programm so zu formulieren, dass es kontraproduktive Anreize vermeidet. Dies ist möglich, und die Bedingungen hierfür sind günstig. Eine solche Lösung wäre auch für die Gläubiger von Vorteil, da bei geringem Wachstum ein Schuldenschnitt unausweichlich ist, bei starkem Wachstum, wie etwa in Irland, man aber einen Schuldenschnitt nicht rechtfertigen kann. Eine solche Lösung würde die Haushalte der Gläubiger nur geringfügig belasten und hätte keine nennenswerten Konsequenzen für die deutsche Schuldenbremse.