Ergebnis der Bundestagswahl : Warum die AfD im Südosten so stark ist
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AfD-Wahlplakate in Dresden Bild: dpa
Die AfD wird in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft, obwohl sie Stimmen verliert. Das liegt vor allem am dramatischen Einbruch der CDU – und vieles deutet darauf hin, dass das kein vorübergehendes Phänomen sein wird.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie sehr jede Stimme zählt, dürfte ihn am Sonntagabend Lars Rohwer erbracht haben. Der CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 160, der einen Teil der Stadt Dresden sowie die Hälfte des Landkreises Bautzen umfasst, gewann um Mitternacht mit einem hauchdünnen Vorsprung von 39 Stimmen das Mandat vor dem AfD-Bewerber Andreas Harlaß. Letzterer hatte zunächst klar in Führung gelegen, da die ländlichen Gemeinden schnell ausgezählt waren, doch als die Wahlbüros der Landeshauptstadt nach und nach ihre Ergebnisse meldeten, schob sich Rohwer Stimme um Stimme nach vorn. Und dennoch ist das Gesamtergebnis dieser Bundestagswahl ein äußerst bitteres für die Union im Freistaat: Nur vier der 16 Wahlkreise konnte sie am Sonntag gewinnen, so wenige wie noch nie seit 1990. Die SPD holte ein Direktmandat in Chemnitz, die Linke eines in Leipzig, der Rest des Landes jedoch färbte sich von Beginn der Auszählung an hellblau und blieb es bis zum Schluss. Die AfD hat in Sachsen mit 24,6 Prozent zum zweiten Mal nach 2017 (27 Prozent) bei einer Bundestagswahl die meisten Stimmen geholt.
Der Abstand zur CDU, der vor vier Jahren noch bei 0,1 Prozentpunkten lag, ist diesmal auf mehr als sieben Prozentpunkte gewachsen; die Union, jahrzehntelang der Platzhirsch in Sachsen, kommt mit 17,2 Prozent gar nur noch auf den dritten Platz, weil sich auch noch die SPD mit 19,3 Prozent dazwischenschob. Die Sozialdemokraten haben ebenso wie Grüne und FDP Stimmen gewonnen, während nicht nur die CDU, sondern auch die AfD in Sachsen verloren hat, und zwar ähnlich wie bundesweit rund zweieinhalb Prozent. Die Alternative hat, das war auch schon bei den Landtagswahlen vor zwei Jahren zu beobachten, offenbar ihr Potential, das bei rund einem Viertel der Stimmen liegt, ausgeschöpft. Die Stärke der AfD in Sachsen liegt bei dieser Bundestagswahl vor allem auch an der Schwäche der anderen, besonders der Union, die noch 2019 bei der Landtagswahl klar siegte. Allerdings ist es ein auch in anderen Bundesländern wie jüngst in Sachsen-Anhalt zu beobachtendes Phänomen, dass die Wähler bei Landtagswahlen die jeweilige Partei des Ministerpräsidenten stärken, sollte die Gefahr drohen, dass die AfD in Regierungsnähe kommen könnte – was bei Bundestagswahlen erkennbar nicht der Fall ist.
Ähnliches ist in Thüringen zu beobachten, wo die AfD bei einem Zugewinn von 1,3 Prozentpunkten mit insgesamt 24 Prozent erstmals stärkste Kraft wurde. Die SPD landete mit 23,4 Prozent knapp dahinter, während die Union nur noch auf 16,9 Prozent kommt, fast zwölf Punkte weniger als vor vier Jahren. Auch deshalb gelang es der AfD in Ost- und Mittelthüringen, vier der acht Direktmandate zu erobern, darunter auch gegen den CDU-Landesvorsitzenden Christian Hirte. Sein Vorgänger Mike Mohring wiederum musste sich völlig unerwartet dem SPD-Bewerber geschlagen geben. Im viel beachteten Wahlkreis 196 in Südthüringen holte der SPD-Kandidat und frühere Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich mit 33,6 Prozent klar das Direktmandat vor dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der 22,3 Prozent erreichte. Mit 21,1 Prozent landete der AfD-Kandidat knapp auf Platz 3. Das Ergebnis zeigt, dass die Strategie der Union in Südthüringen, mit einem rechtskonservativen Bewerber Stimmen von der AfD zurückzugewinnen, gescheitert ist. Die Leute wählen, das zeigte sich auch schon 2019 in Sachsen, wo Maaßen im Wahlkampf für einzelne CDU-Bewerber auftrat, dann doch das „Original“.