Nato verliert Vertrauen : Die Deutsche Marine ist auf Grund gelaufen
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Die Fregatte „Augsburg“ der deutschen Marine wird sich 2019 nicht mehr an der Operation „Sophia“ im Mittelmeer beteiligen. Der Marine fehlt es an Schiffen. Bild: dpa
Vier neue Fregatten sollte die Bundeswehr bekommen. Das wurde vor zwölf Jahren beschlossen – bis heute hat sie keine davon. Doch das ist nicht das einzige Problem. Die Nato-Verbündeten stöhnen schon. Eine Analyse.
Die Bundeswehr hat zu wenige Schiffe für die Aufgaben, die sie von der Politik erhält. Es reichen zwei parallel laufende Einsätze, so wie es sie derzeit in der Ägäis und vor Libyen noch gibt, und die Marine ist an der Grenze ihrer Kapazität.
Die Folge ist, dass Deutschland keine Fregatten in die vier Ständigen Einsatzverbände der Nato schicken kann. In einer Zeit, in der Russland die Nato herausfordert, führt das in der Allianz zu Zweifeln an Deutschlands Bündnisfähigkeit. In der Nato, sagt ein ranghoher Marine-Offizier, sei das Vertrauen in die Fähigkeiten der deutschen Seestreitkräfte zuletzt deutlich gesunken. Die Knappheit der Mittel ist auch ein Grund dafür, dass die Bundeswehr bald kein Schiff mehr in die „Sophia“-Mission vor der libyschen Küste schicken wird.
Unfall auf der „Sachsen“
Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, hilft ein Blick zurück. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts verlor die Marine zwei Drittel ihrer Schiffe und Boote. Von einst 15 Fregatten und Zerstörern sind neun geblieben, wobei ein Schiff in diesem Jahr außer Dienst gestellt werden soll. Die Fregatten sind das Rückgrat der Seestreitkräfte. Sie können U-Boote, Überwasserschiffe und Bedrohungen aus der Luft bekämpfen. Die meisten von ihnen sind schon mehr als 20 Jahre alt und reparaturfällig.
Doch auch mit den neueren Schiffen gibt es immer wieder Probleme. Im vergangenen Jahr ereignete sich ein folgenschwerer Unfall auf der 15 Jahre alten „Sachsen“. Ein Flugkörper zündete zwar, startete aber nicht und brannte an Bord aus. Die drei Fregatten des Typs F-124, zu dem die „Sachsen“ gehört, stehen daher nur eingeschränkt zur Verfügung.
Philosophie versus Arbeitszeitverordnung
Die Marine-Schiffe wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten in Missionen geschickt, für die sie nicht konzipiert waren. Einsätze gegen Piraten am Horn von Afrika, der Unifil-Einsatz vor der Küste des Libanons, aber auch die seit 2015 laufenden Missionen in der Ägäis und vor der Küste Libyens infolge der Flüchtlingskrise haben vor allem die hochbelasteten Fregatten verschlissen. Sie mussten häufiger als erwartet zur Überholung in die Werft.
Als besonders nachteilig erweist sich inzwischen auch die jahrzehntelang praktizierte Philosophie der Marine. Danach hat ein Schiff seine eigene Besatzung. Seit einigen Jahren verlangen aber die Europäische Arbeitszeitverordnung und die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geforderte bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst eine strikte Begrenzung der Zeit, die Marine-Soldaten auf See verbringen. Kein Soldat soll länger als sechs Monate von zu Hause fort sein. Weil bei einem Einsatz wie der Mission „Sophia“ aber der gut zweiwöchige Transfer vom Heimathafen Wilhelmshaven ins Mittelmeer mitgerechnet werden muss, hat das zur Folge, dass, auf das Jahr gesehen, drei Schiffe einschließlich Besatzung verfügbar sein müssen.
Damit binden die beiden Missionen in der Ägäis und vor der Küste Libyens jedes Jahr sechs Schiffe der Bundeswehr. Aus diesem Grund kann die Marine seit geraumer Zeit kein Schiff mehr in die Anti-Piraterie-Mission vor Somalia entsenden. Vor allem aber ist sie nicht mehr in der Lage, Fregatten in die maritimen Verbände der Nato abzustellen. Nach der russischen Intervention in der Ukraine im Frühjahr 2014 hat die westliche Militärallianz auch auf See wieder ihre Präsenz erhöht.
Nach Jahrzehnten der Stabilisierungseinsätze, bei denen höchstens mal ein Piratenboot am Horn von Afrika versenkt wurde, wird von der Marine nun wieder das Gefecht über und unter See gefordert. Doch das erfordert genügend Schiffe – und einsatzfähige Besatzungen. Wie es aussieht, wird beides nicht so bald zur Verfügung stehen. Und das ist nicht zuletzt die Schuld der Marine selbst.