
Papst gegen Kardinal : Die Kirche und die Wahrheit
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Der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, am 31. Mai Bild: dpa
Kardinal Woelki will aus freien Stücken um etwas gebeten haben, was Papst Franziskus ihm gegen seinen Willen abgerungen hat. Einer führt die Öffentlichkeit hinter die Fichte.
Ginge es in der katholischen Kirche auch nur nach dem eigenen Recht und Gesetz zu, dann säße der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zumindest in einer Hinsicht fester im Sattel denn je. Seit seiner Rückkehr aus einer „geistlichen Auszeit“ Ende März sind mehr als drei Monate verstrichen. Weil der Papst Woelkis Rücktrittsgesuch in dieser Frist nicht beschieden hat, gilt es nach dem Kirchenrecht als nicht angenommen.
Causa finita? Mitnichten. Franziskus wäre nicht Franziskus, wenn ihm das Kirchenrecht bestenfalls als grober Orientierungsrahmen diente. Also wird sich Woelki noch eine Weile gedulden müssen.
Vielleicht würde es den Entscheidungsprozess im Kopf des Papstes ein wenig beschleunigen, würde er seine Aussagen über diverse Bitten Woelkis (Auszeit, Rücktritt) mit denen vergleichen, die der Kölner Kardinal bei verschiedenen Anlässen in die Welt gesetzt hat. Vereinfacht gesagt, will Woelki beide Male aus freien Stücken um etwas gebeten haben, was der Papst ihm gegen seinen Willen abgerungen hat.
Mindestens eine der Versionen kann nicht stimmen, wenngleich die Vorstellung schwer erträglich ist, dass einer der beiden Herren die Öffentlichkeit bewusst hinter die Fichte führt. Aber wenn es schon nicht nach Recht und Gesetz geht, ist es wohl auch mit der Wahrheit wie mit der Schönheit: Sie liegt im Auge des Betrachters.