Was Demoskopen über die Bürger wissen wollen
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Spiegelbild der Gesellschaft: Menschen in einer Einkaufsstraße in Wernigerode, Sachsen-Anhalt – ein Tag vor der Wahl. Bild: dpa
Wer – wie – was – warum? Meinungsforscher verlangen von den Bürgern Informationen. Das darf auch umgekehrt sein. Das Beispiel Sachsen-Anhalt.
Sollten Meinungsumfragen oder das, was dafür ausgegeben wird, je den Ausgang einer Wahl in Deutschland signifikant beeinflusst haben, dann dürfte die Landtagswahl, die am Sonntag in Sachsen-Anhalt stattgefunden hat, wohl als Anschauungsobjekt par excellence dienen. Lange Zeit schien es, als könne die AfD, die vor fünf Jahren mit fast 25 Prozent der Stimmen aus dem Stand die stärkste Oppositionspartei in Magdeburg geworden war, den Abstand zu der seit Jahren regierenden CDU nicht verringern. Mochten auch Mitglieder der Landtagsfraktion immer wieder mit einer Annäherung an die AfD liebäugeln, so ließ Ministerpräsident Reiner Haseloff nicht nur nichts auf das Regierungsbündnis mit SPD und Grünen kommen. Mit ihm, dem diktatursozialisierten Katholiken aus der Lutherstadt Wittenberg, so war spätestens seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle und der Entmachtung seines designierten Nachfolgers an der Spitze der Partei Holger Stahlknecht klar, würde es auch nicht den kleinsten Versuch geben, die Brandmauer zwischen einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei und demokratischen Kräften zu durchlöchern oder gar einzureißen.
Im März aber gab die AfD die Parole aus, man werde im Juni die CDU als stärkste Partei ablösen können – und Ende Mai ließen sich gleich zwei Meinungsumfragen so lesen, als könnte der Traum der AfD wahr werden. Wie die Meinungsforscher von INSA in Erfurt im Auftrag der Bild-Zeitung und eine Organisation namens Civey im Auftrag der Zeitschrift Spiegel an ihre Rohdaten gelangt waren und wie plausibel deren Gewichtung war, zählte nicht. Bild und Spiegel hatten ihre Schlagzeilen, die Republik erstarrte. Dass die beiden Meinungsforschungsinstitute infratest-dimap und Forschungsgruppe Wahlen, die seit Jahrzehnten im Auftrag von ARD und ZDF Wahlforschung auf Weltklasseniveau betreiben, CDU und AfD nie auch nur auf Augenhöhe gesehen hatten und auch die jüngsten Ergebnisse bei Kommunalwahlen nicht darauf hindeuteten, dass die AfD im Lauf der vergangenen fünf Jahre stärker geworden wäre, spielte in der medialen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Die Republik hatte ihr Thema gefunden: Schafft es die AfD oder nicht?
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