Ausschreitungen in Problemvierteln : Feuer in Stockholm
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Brennpunkt: Husby bei Nacht Bild: laif
Im Stockholmer Stadtteil Husby brannten nun schon in der dritten Nacht in Folge Autos und Mülltonnen. Es sind die schwersten Ausschreitungen in Schweden seit Jahren.
Am Dienstagabend noch hatte Fredrik Reinfeldt zur Ruhe aufgerufen. Im Reichstag trat der schwedische Ministerpräsident vor die Presse und zeigte sich besorgt über die Krawalle im Stockholmer Stadtteil Husby. Nächte mit großer Unruhe, Beschädigungen und einschüchternder Atmosphäre habe man erlebt, sagte er. „Jetzt müssen alle, auch Eltern und Erwachsene, dabei helfen, wieder für Ruhe zu sorgen. Die Einwohner von Husby müssen ihre Nachbarschaft wieder zurückbekommen.“ Viele Einwohner folgten dem Aufruf tatsächlich und versammelten sich auf den Straßen ihres Viertels. Genutzt hat es freilich nichts. In der Nacht zum Mittwoch brannten wieder Autos und Mülltonnen, Fenster zerbarsten, und Steine flogen auf Polizisten. Es war die dritte Krawallnacht in Folge - und die Fortsetzung der schwersten Ausschreitungen in Schweden seit Jahren.
Husby liegt kaum 30 U-Bahn-Minuten vom Amtssitz des schwedischen Ministerpräsidenten entfernt im Nordwesten von Stockholm. Es ist einer dieser Stadtteile, die in den siebziger Jahren rasant wuchsen, als es im Zentrum nicht mehr genug bezahlbare Wohnungen für alle gab. Schlafsiedlungen entstanden mit tristen Zweckbauten. Die Krawalle begannen am Sonntagabend. Augenzeugen berichteten, wie einige Dutzend vermummte Jugendliche Autos mit Benzin übergossen und sie anzündeten. Auch Gebäude wurden in den folgenden Nächten beschädigt, Polizisten durch Steine verletzt, als sie die Löscharbeiten absichern wollten. Eine Polizeistation wurde angegriffen. Später breitete sich die Gewalt aus, auch in anderen Stadtteilen am Rande Stockholms flogen Steine. Vor allem junge Männer randalierten auf den Straßen. Der konkrete Auslöser der Unruhen soll der Tod eines 69 Jahre alten Mannes gewesen sein, den die Polizei in Husby in Notwehr erschossen haben soll. Für die Wütenden von der Straße offenbar ein Fall von unverhältnismäßiger Polizeigewalt. Auch bei den Krawallen sollen die Polizisten zu rabiat vorgegangen sein. Menschen sollen sie als „Affen“ und „Neger“ beschimpft haben. Die Polizei prüft die Vorwürfe, ob sie aber zutreffen oder nicht: Sie allein können die Wucht der jüngsten Ausschreitungen wohl kaum erklären.
Den Rechtspopulisten in die Hände
Als ein Problemviertel gilt Husby schon lange. Der Schwedische Rundfunk zitierte eine Kommunalpolitikerin der Grünen: Husby sei „ein vergessener Vorort“, sagte sie. Die meisten Schweden haben das Viertel längst verlassen, mehr als 60 Prozent der Einwohner sind im Ausland geboren - der Durchschnitt im Land liegt bei 15 Prozent. Das schwedische Asylrecht ermöglichte es ihnen fast ohne Einschränkungen, hinzuziehen, wohin sie wollten. So zogen viele in die Viertel, in denen schon ihre Verwandten, Bekannten oder Landsleute lebten. Es entstanden Viertel, in denen immer mehr Einwanderer geballt zusammenleben. Die Integration fiel dem Land trotz großer Anstrengungen immer schwerer. Als die Wirtschaft zu schwächeln begann, stieg die Arbeitslosigkeit - vor allem unter Jugendlichen - massiv an. Aus den Vierteln wurden Problemviertel.
Schweden : Ausschreitungen in Stockholmer Vorort
In Malmö gibt es so ein Viertel, Rosengård ist lange schon berüchtigt. Aber auch in Stockholm gibt es neben Husby noch weitere solcher Stadtteile, die einst als Sprungbrett in die schwedische Gesellschaft dienten und nun für manche wohl vielmehr eine Endstation sind - zum Beispiel Rinkeby, nur wenige Kilometer von Husby entfernt. Hier haben weit mehr als 60 Prozent der Einwohner ausländische - meist afrikanische - Wurzeln. Rinkeby geriet 2010 in die Schlagzeilen, als Jugendliche ein Schulgebäude niederbrannten und Polizei und Feuerwehr mit Steinen daran hinderten, den Brand zu löschen. Im selben Jahr wählten die Schweden zum ersten Mal die rechtspopulistischen Schwedendemokraten in den Reichstag. Diese hatten im Wahlkampf gegen die Asylpolitik polemisiert und auf ein Schlagwort gesetzt: Sicherheit. Es brachte ihnen fast sechs Prozent der Stimmen. Am Dienstag beantragten die Schwedendemokraten schon mal eine aktuelle Debatte im Reichstag zu den Krawallen.