Schüler streiken in Berlin : „Wir fordern einen Kohleausstieg bis spätestens 2030“
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Schüler beim „Friday for future“ am vergangenen Freitag Bild: privat/Jona Schöttke
Bei „Fridays for Future“ setzen sich freitags Tausende Schüler für eine bessere Klimapolitik ein. Aktivist Vincent Schlotfeldt erklärt, worauf es den Jugendlichen ankommt und wie die Lehrer reagieren.
Bei der Aktion „Fridays for future“ greifen deutsche Schüler die Aktion der 16 Jahre alten schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg auf, die seit Monaten jeden Freitag die Schule schwänzt und vor dem schwedischen Parlament streikt. Nach zahlreichen Protestaktionen vergangene Woche in ganz Deutschland wollen sich am Freitag um zwölf Uhr zahlreiche Jugendliche aus ganz Deutschland in Berlin treffen – denn dort tagt die Kohlekommission. Der 17 Jahre alte Azubi Vincent Schlotfeldt engagiert sich bei dem deutschen Ableger von „Fridays for future“ und hat unter anderem den Streik vergangene Woche in Kiel mitorganisiert.
Herr Schlotfeldt, seit wann machen Sie bei „Fridays for future“ mit?
In Kiel hat eine Schülerin aus Bad Segeberg im Dezember angefangen, beim ersten Mal war sie allerdings allein. Mitte Dezember hat sie dann eine Demonstration vor dem Landtag in Kiel angemeldet. Das habe ich über Twitter gesehen, weil der BUND Jugend die Aktion geteilt hat. Ich bin schon länger klimatechnisch interessiert und habe den Aufruf dann in eine Gruppe mit Klimaaktivisten gepostet. Ein paar Stunden später standen dann die ersten deutschlandweiten Whatsapp-Gruppen sowie Gruppen für Kiel und Schleswig-Holstein. In der bundesweiten Gruppe waren wir schnell mehr als 100 Leute. Ich bin dann dran geblieben und habe mich stark mit eingebracht.
Was haben Ihre Lehrer zu den Streiks gesagt?
Die beiden Lehrer, die ich freitags habe, unterstützen die Aktion. Für den Streik im Dezember und vergangene Woche haben sie mich vom Unterricht freigestellt. Einer der beiden unterreichtet uns in Politik. Er sagt, das ist eine gute Sache, für die man sich unbedingt einbringen sollte – weil eine wehrhafte Demokratie wehrhafte Bürger braucht. Diese Woche ging es leider nicht, deshalb werde ich von zuhause aus einen Live-Ticker betreuen, für den mir die Leute vor Ort Material schicken.
Sind die Lehrer der anderen Schülerinnen und Schüler auch so offen?
Das ist relativ unterschiedlich: Ein Schüler hat zumindest beim ersten Mal für das Schwänzen eine Missbilligung von der Schule bekommen, anderen wurden für den Tag weder Fehlstunden noch eine Sechs für den Unterricht eingetragen. Da war alles mit dabei.
Und Ihre Mitschüler?
Die haben sich tatsächlich weniger für das Thema interessiert. Aber sie haben sich gewundert, weil ich nach der Demo wieder zurück in die Schule gekommen bin, um eine Mathearbeit zu schreiben. Die durfte ich nach dem Streik nachholen.
Haben Sie schon Feedback aus der Politik bekommen?
In Kiel tatsächlich noch nicht.
Am Freitag ist in Berlin die bislang größte Aktion geplant. Mit welchen Forderungen fahren die „Fridays for future“-Aktivisten dorthin?
Auf jeden Fall muss das Ziel, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen, eingehalten werden. Wir fordern deshalb einen Kohleausstieg bis spätestens 2030. Natürlich sollen die Menschen, die in den betroffenen Regionen arbeiten, aber Unterstützung bekommen und nicht im Stich gelassen werden. Für uns ist aber wichtig, dass der Kohleausstieg kommt, und zwar schnell.
Gibt es noch Forderungen, die über die Kohlekommission hinaus gehen?
Der öffentliche Nahverkehr muss mehr gefördert werden, derzeit ist er in vielen Bereichen stark überlastet. Wir sind der Meinung, dass er deutlich attraktiver gemacht werden sollte, um vor allem die Städte vom Autoverkehr zu entlasten. Außerdem müssen Radwege ausgebaut werden.
Das sind vor allem Forderungen an die Politik. Wollen Sie auch Ihre Mitmenschen zu mehr Klimaschutz aufrufen?
Da halten wir uns grundsätzlich ein bisschen zurück. Wir sagen aber, dass jeder einen Beitrag leisten kann. Man kann auch klein anfangen: Wenn möglich, einfach mal das Auto stehen lassen und den ÖPNV und das Rad benutzen. Außerdem muss man ja nicht an sieben Tagen die Woche Fleisch essen, sondern vielleicht nur an vier oder fünf.
War es schwierig, die Streiks zu organisieren?
Tatsächlich war es schwierig, das Material zum Demonstrationsort zu bekommen. Für den Streik vor den Kieler Landtag wurde uns eine Lautsprecheranlage zur Verfügung gestellt – um den Transport mussten wir uns aber selbst kümmern. Die meisten von uns haben weder einen Führerschein noch ein Auto, darauf wollten wir aber ohnehin verzichten. Das hat natürlich für Schwierigkeiten gesorgt. Aber da wir so viele sind, hilft man sich immer gegenseitig aus. In der Whatsapp-Organisationsgruppe sind wir zwischen 60 und 70 Leute.
Wie haben Sie die Anlage dann zum Landtag transportiert?
Mit einem Lastenrad, und irgendjemand hat einen Einkaufswagen organisiert, da hatten wir die Anlage dann drin.