Überwachung sozialer Medien : Frankreich verschärft Anti-Terror-Gesetze
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Blumen zum Gedenken an die getötete Polizistin in der Nähe der Polizeistation von Ramboulillet Bild: AFP
Hätte die Tötung einer französischen Polizistin durch einen islamistischen Terroristen verhindert werden können? Die französische Regierung will die Überwachung sozialer Medien erleichtern, um Radikalisierungen künftig früher zu erkennen.
Unter dem Eindruck der brutalen Tötung einer Polizeibeamtin durch einen islamistischen Terroristen bereitet die französische Regierung eine verschärfte Anti-Terror-Gesetzgebung vor. Das Regierungskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der unter anderem eine bessere Überwachung von Terrorverdächtigen im Netz erlaubt. Wie der Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard bei einer Pressekonferenz bekannt gab, konnten die Etappen der islamistischen Radikalisierung des Terroristen auf seinen Facebook-Seiten nachverfolgt werden.
Der Tunesier Jamel G. hatte am vergangenen Freitag im Eingangsbereich des Polizeireviers von Rambouillet der Polizeibeamtin Stéphanie M. mit einem Küchenmesser in den Bauchbereich gestochen und ihr die Kehle durchgeschnitten. Er rief laut Augenzeugen dabei „Allah Akbar“. Ein Polizist erschoss ihn, bevor er weitere Beamte angreifen konnte. Seither sucht Frankreich nach Antworten auf die Frage, wie die Terrortat hätte verhindert werden können.
In einer ersten Phase nach seiner illegalen Einreise 2009 zeigte der Tunesier laut der Staatsanwaltschaft besonderes Interesse an allen Themen zur Diskriminierung von Muslimen in Frankreich. Darauf folgte eine Phase, in der er vor allem religiöse Beiträge und Videos des Banlieue-Predigers Tariq Ramadan teilte. Nach der Enthauptung des Geschichtslehrers Samuel Paty im vergangenen Oktober stellte sich der Tunesier klar auf die Seite des Terroristen. Wie der Staatsanwalt es formulierte, „hat er seit Herbst 2020 eine Ideologie verbreitet, die Gewalt gegen diejenigen rechtfertigt, die den Propheten beleidigen“. Mit dem neuen Anti-Terror-Gesetz wird angestrebt, die Signale der Radikalisierung schon frühzeitig zu erkennen und präventiv einschreiten zu können.
Der Entwurf sieht vor, Computeralgorithmen einzusetzen, die auswerten, welche Netznutzer terrorverdächtige Inhalte teilen. Einmal entdeckt, könnten die Geheimdienste diese Accounts minutiös beobachten und im Fall einer Radikalisierung präventive Maßnahmen ergreifen. Frankreich setzt zunehmend auf Big-Data-Ansätze bei der Terrorismusbekämpfung in den sozialen Medien. Das gesetzliche Anti-Terror-Arsenal ist seit der schweren Anschlagswelle von 2015 und 2016 wiederholt verschärft worden. Mit dem neuen Gesetzentwurf, der vor dem Anschlag von Rambouillet vorbereitet wurde, sollen auch Hausdurchsuchungen erleichtert werden.
Zudem sollen wegen Terrorismus verurteilte Franzosen nach ihrer Haftentlassung besser überwacht werden können. In Frankreich sind große Teile der Ausnahmegesetzgebung, die nach den Pariser Anschlägen eingesetzt wurde, ins normale Gesetz aufgenommen worden. Hausarreste und Aufenthaltsverbote sollen nicht mehr nur gegen Personen, „von denen eine tatsächliche Gefahr ausgeht“ verhängt werden, sondern fortan auch gegen Personen „von denen anzunehmen ist, dass ihr Verhalten eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen könnte“.