Verfassungsschutz : Von Böhmermann veröffentlichte NSU-Akten erscheinen authentisch
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ZDF-Moderator Jan Böhmermann Bild: dpa
Eigentlich sollte der Prüfbericht über die Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes zur Terrorzelle NSU über Jahrzehnte geheim bleiben. Nun will das „ZDF Magazin Royale“ die Akten erhalten haben.
Die vom „ZDF Magazin Royale“ nach eigenen Angaben veröffentlichten hessischen NSU-Akten entsprechen nach Einschätzung der Linken offenkundig dem Original. „Sie scheinen vollständig und inhaltsgleich transkribiert worden zu sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag, Torsten Felstehausen, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Man habe die Texte nebeneinander gelegt und verglichen. Die Abgeordneten hätten im Landtags-Untersuchungsausschuss Zugang zu den Originalakten gehabt.
Eine offizielle Bestätigung der Authentizität stand am Samstagmittag aber noch aus. Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) teilte in einer sieben Zeilen langen Erklärung mit, es prüfe die veröffentlichten Dokumente. Bei daraus folgenden erforderlichen Maßnahmen, vor allem „im Hinblick auf enthaltene personenbezogene Daten und tangierte Staatswohlbelange“, stehe man „im Austausch mit den Polizei- und Verfassungsschutzbehörden“. Nähere Angaben wollte ein Sprecher dazu nicht machen.
Die Linksfraktion begrüße die Veröffentlichung. Aus Sicht der Opferfamilien sei das eine lange Forderung gewesen, sagte Felstehausen. „Endlich kann die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild davon machen, wie der sogenannte Verfassungsschutz über Jahre mit Hinweisen auf rechten Terror umgegangen ist.“
Es sei beschämend für die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, dass sie nicht der Petition von mehr als 130.000 Menschen auf Aktenfreigabe gefolgt sei, sondern dass es dafür Leaks durch Investigativ-Journalistinnen und -Journalistinnen gebraucht habe, sagte er. Die Linksfraktion habe lange für die Veröffentlichung gekämpft.
„Es steht vor allem das Versagen des Landesamtes für Verfassungsschutz drin - dass sie viele Informationen hatten und offensichtlich nicht in der Lage waren, daraus ein Bild zusammenzusetzen.“ Es handele sich um einen verheerenden Umgang mit Hinweisen auf rechten Terror, so die Linksfraktion.
Seit Jahren Streit um Akten
Um sogenannte NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes – Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft hatte – gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Zehntausende Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert. Die Initiatoren der Petition erhofften sich neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrunds“ (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Mai 2021 die Entscheidung verteidigt, die Akten nicht zu veröffentlichen. „Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können“, sagte er damals im Landtag in Wiesbaden. „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.“ Er verwies darauf, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne.
Der NSU hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer: neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die Rechtsterroristen verübten außerdem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle. Einer der Morde wurde 2006 in Kassel verübt. Die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um der Festnahme zu entgehen. Als einzige Überlebende des NSU-Trios wurde Beate Zschäpe als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt – auch wenn es nie einen Beweis dafür gab, dass sie selbst an einem der Tatorte war.