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Schweizer Großbank : Der tiefe Fall der Credit Suisse

Unter Nachbarn: Die Hauptsitze der Schweizer Großbanken Credit Suisse (Mitte) und UBS (links) am Zürcher Paradeplatz Bild: dpa

Die Credit Suisse ermöglichte einst den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Doch in den letzten Jahren verlor sie das Vertrauen der Kunden. Dass sie nun von der Erzrivalin UBS übernommen wird, ist nicht ohne Ironie.

          7 Min.

          Der sagenhafte Niedergang der einst stolzen Credit Suisse (CS) lässt sich an­hand von drei Zahlen zusammenfassen. Im Jahr 2007 war die Schweizer Großbank an der Börse 100 Milliarden Franken wert – am vergangenen Freitag waren es noch sieben Milliarden Franken. Und nun verschwindet die vor 167 Jahren gegründete Traditionsbank zum Preis von drei Milliarden Franken im Bauch der lokalen Erzrivalin UBS.

          Johannes Ritter
          Korrespondent für Politik und Wirtschaft in der Schweiz.

          Man kann das De­bakel des Finanzriesen, der 50.000 Mitarbeiter beschäftigt und rund um den Globus Kundenvermögen im Wert von mehr als einer Billion Franken verwaltet, aber auch anhand von drei Episoden aus der jüngeren Vergangenheit be­schreiben. Da kam es zu einem hanebüchenen Spionagefall, zum Verkauf fragwürdiger Fondsprodukte und zu verlustreichen Geschäften mit einem amerikanischen Börsenzocker.

          Im September 2019 bemerkte Iqbal Khan bei einer Spritztour durch Zürich, dass er von einem Auto verfolgt wurde. Der Schweizer mit pakistanischen Wurzeln saß zuvor noch im Vorstand der Credit Suisse, war aber freigestellt, weil er wenige Wochen später zur UBS wechseln wollte. In Kreisen der CS hegte man je­doch den Verdacht, dass Khan in dieser Übergangsphase ehemalige Kollegen ab­werben würde. Also jagte man ihm De­tektive auf den Hals. Doch Khan bemerkte, dass er beschattet wurde – und versuchte, den Verfolger zur Rede zu stellen. Die ganz Sache flog auf und kulminierte im Suizid des involvierten Privatdetektivs. Als herauskam, dass die Credit Suisse auch noch andere eigene Leute hatte bespitzeln lassen, musste der damalige Vorstandsvorsitzende Tidjane Thiam gehen. Unbeschadet davon strich er für sein letztes Amtsjahr ein Salär von fast elf Millionen Franken ein.

          Bankenaufseher attestieren gravierende Mängel

          Schon dieser Fall schlug im In- und Ausland hohe Wellen und schadete dem Ruf der Bank. Doch es kam alles noch viel schlimmer. Die Credit Suisse hatte sich mit dem australischen Unternehmer Lex Greensill und dessen Finanzboutique Greensill Capital verbündet. Greensill übernahm Lieferforderungen von Dritten und schnürte sie zu Paketen zusammen, welche die CS über Fonds an ihre Kunden verkaufte. Die Bank pries die Fonds als risikoarm und sammelte zehn Milliarden Dollar ein.

          Doch als Versicherer die Finanzprodukte nicht mehr ab­sichern wollten, brach die Konstruktion zusammen. Die Credit Suisse musste die Fonds abwickeln, konnte ihren Kunden aber längst nicht alle investierten Gelder zurückzahlen. Bis heute hat sie erst Zu­griff auf 7,4 Milliarden Dollar bekommen. Den Anlegern drohen also Verluste in Milliardenhöhe – und der Bank Schadenersatzklagen. In einer kürzlich abgeschlossenen Untersuchung des Falls wies die Schweizer Finanzmarktaufsicht, kurz Finma, der CS eklatante Versäumnisse nach. Die Großbank habe in schwerer Weise gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen. Die Aufseher erkannten gravierende Mängel in der Betriebsorganisation und im Risikomanagement der CS.

          Verluste mit einer New Yorker Investmentfirma

          Der Befund passt zum nächsten Ge­nickschlag, der die Credit Suisse schon kurz nach dem Fondsfiasko traf. Dabei ging es um Geschäfte mit einer New Yorker Investmentfirma namens Archegos. Deren Inhaber, Bill Hwang, hatte sich bei etlichen Banken viel Geld geliehen und in großem Stil in Aktien investiert. Doch seine Börsenwetten gingen krachend schief. Da die CS nicht ausreichend abgesichert war und nicht schnell genug re­agierte, blieb sie auf Verlusten von fünf Milliarden Franken sitzen.

          Diese Episoden sind nur drei von etlichen weiteren Tiefschlägen, die das Vertrauen der Kunden und Aktionäre zum Bankhaus am Zürcher Paradeplatz in den vergangenen Jahren erschütterten. Un­ter dem Titel „Suisse Secrets“ beförderte ein Recherchenetzwerk im vergangenen Jahr eine Liste fragwürdiger Credit-Suisse-Kunden zutage, unter ihnen Autokraten, Kriminelle, Geheimdienstchefs und korrupte Politiker aus dem Ausland. Die meisten dieser Kundenbeziehungen hatte die Bank offenbar längst beendet; sie stammten überwiegend aus einer Zeit, als die Schweiz noch keine Kontodaten an ausländische Finanzbehörden lieferte. Dennoch riefen die Veröffentlichungen alte Klischees zum ruchlosen Verhalten eidgenössischer Finanzhäuser in Er­innerung.

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