F.A.Z.-Newsletter : Eine unbegreifliche Tat
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Unser Autor: Cai Tore Philippsen Bild: Robert Wenkemann
Der rechtsextreme Mordanschlag in Hanau hat das Land in Schock versetzt. Die AfD versucht, die rassistischen Motive des Täters zu relativieren. Ob diese Taktik aufgeht, wird die Hamburg-Wahl zeigen. Alles Wichtige im F.A.Z.-Newsletter für Deutschland.
Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der gescheiterte Versuch in der Synagoge in Halle Juden umzubringen und jetzt der Mord an zehn Menschen in Hanau – es ist der dritte rechtsextreme Mordanschlag in Deutschland in einem Jahr. Dass der Bankkaufmann Tobias R. psychische Störungen hatte, spielt sicher auch eine Rolle. Doch wird in seinem Bekennerschreiben seine rechtsextreme Haltung überdeutlich. Ganze Völker müssten vernichtet werden, schreibt er. Außerdem sei nicht „jeder, der einen deutschen Pass besitzt, reinrassig und wertvoll“. In Hanau stürmte er gezielt in Shisha-Bars, um Menschen mit Migrationshintergrund zu töten. Im F.A.Z. Podcast für Deutschland versucht der Kriminologe Christian Pfeiffer, die Ursachen für den Hass des Täters zu analysieren.
„Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die AfD versuchte hingegen die rassistischen Motive des Täters umgehend zu relativieren. Da ist die Rede von der Tat eines „Irren“, eines „Geisteskranken“ oder eines „psychotischen Amokläufers“, schreibt mein Kollege Oliver Georgi. Ja, es war eine Wahnsinnstat, aber solche Taten geschehen nicht im luftleeren Raum, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, „sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima“. Und an diesem Klima trägt die AfD eine große Mitschuld. Von ihr ist auch nach diesem Massaker keine Umkehr zu erwarten. Die anderen Parteien müssen den Sumpf austrocknen, in den die Extremisten ihr faules Wasser leiten, schreibt Politik-Herausgeber Berthold Kohler. Welche niederträchtige Erklärung der Redenschreiber von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland für die Tat von Hanau hat, analysiert Feuilleton-Herausgeber Jürgen Kaube und Innenpolitik-Chef Jasper von Altenbockum sieht „einer Bedrohung der bürgerlichen Gesellschaft, die es bislang so nicht gegeben hat“. Am Donnerstagabend gingen in Hanau, Frankfurt, Berlin und anderen Städten Tausende auf die Straße, um der Opfer zu gedenken und gegen den rechten Terror zu demonstrieren.
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Wenn die Hamburger an diesem Sonntag ihre Bürgerschaft neu wählen, werden sie den schrecklichen Terror von Hanau zumindest im Hinterkopf haben. Auch in der Hansestadt steht die AfD zur Wahl, 2015 erreichte sie 6,1 Prozent der Stimmen. In Umfragen, die vor der Tat von Hanau durchgeführt wurden, lag sie bei sieben Prozent. Spannend wird auch, wie sehr das Thüringen-Debakel der in Hamburg ohnehin schwachen CDU schadet. Den Sieg werden Grüne und SPD unter sich ausmachen. Lange hatte es danach ausgesehen, dass die Grüne Katharina Fegebank neue Erste Bürgermeisterin werden könnte, doch nun scheint sich der amtierende Rathauschef Peter Tschentscher von der SPD durchsetzen zu können. Ja, Sie haben richtig gelesen, die SPD kann noch gewinnen, zumindest in Hamburg. Wie es wirklich ausgeht, erfahren Sie am Sonntag auf FAZ.NET.
Und sonst? Wollen an diesem Freitag tausende Schüler in Hamburg für eine bessere Klimapolitik demonstrieren, auch Greta Thunberg wird erwartet. Beraten die Parteien in Thüringen, wie sie doch noch einen neuen Ministerpräsidenten wählen können. Ringen die EU-Staats- und Regierungschefs weiter um den Haushalt für die Jahre 2021 bis 2017.
Die Nacht in Kürze
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