Bilanz des ersten Amtsjahres : Biden will sein Vorzeigeprojekt aufspalten
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Joe Biden und Kamala Harris im Januar in Atlanta Bild: AP
Der amerikanische Präsident gesteht ein, dass er sein großes Sozial- und Klimapaket nicht durch den Kongress bringen wird – wegen des Widerstands in den eigenen Reihen. Deshalb ändert er nun seine Strategie.
Joe Biden und Hillary Clinton haben ein kompliziertes Verhältnis. Der Wahlsieg des Demokraten vor einem Jahr dürfte in ihr nicht nur Erleichterung hervorgerufen, sondern auch die Wunde über die eigene Niederlage gegen Donald Trump aufgerissen haben. Dieser Tage äußerte sie mit Blick auf den Zustand ihrer Partei: „Ich glaube, es ist an der Zeit, genau darüber nachzudenken, womit man Wahlen gewinnt. Und zwar nicht nur in Hochburgen der Demokraten, wo linke Kandidaten gewinnen.“ Sie verstehe schon, dass Abgeordnete an ihrer Agenda, für die sie glaubten, gewählt worden zu sein, festhielten. Am Ende bedeute das aber wenig, wenn man nichts hinbekomme.
Die Botschaft war primär an die Parteilinke gerichtet. Da der Flügel aber die Agenda des Präsidenten wesentlich beeinflusst hat, wird auch er die Worte vernommen haben. Am Mittwoch wurde deutlich, dass das Weiße Haus angesichts des Umfragetiefs Bidens in einer zentralen Frage zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gekommen ist wie Clinton. Nach Monaten des zermürbenden Streits über seinen „Build Back Better“-Plan (BBB), das zwei Billionen Dollar umfassende Sozial- und Klimapaket, ändert Biden seine Strategie. Das Lieblingsprojekt der Linken, das wegen des Widerstands zweier Senatoren vom rechten Parteiflügel zwischenzeitlich auf Eis gelegt worden war, soll nun aufgespalten werden.
In einer fast zwei Stunden dauernden Pressekonferenz anlässlich seiner Amtsübernahme vor einem Jahr gestand der Präsident ein, dass er das BBB-Gesetz nicht durch die zweite Kammer bekommen werde. Der Widerstand Joe Manchins und Kyrsten Sinemas, der Senatoren aus West Virginia und Arizona, gegen gebührenfreie Fachhochschulen und Hilfen für Familien sei einfach zu stark. „Ich glaube, wir können das Paket aufspalten, so viel wie möglich jetzt verabschieden und später für den Rest kämpfen“. Er glaube, etwa für den Klimateil des Reformpaketes über eine Mehrheit zu verfügen.
Biden wollte sich seine Bilanz nicht schlechtreden lassen. „Ich glaube nicht, dass ich zu viel versprochen habe“, sagte er, man habe „enorme Fortschritte“ gemacht. Er verwies auf die Impfkampagne und auf wirtschaftliche Erfolge, die sich auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelten. Doch gestand er ein, dass die Pandemie durch die Omikron-Variante weiterhin eine Herausforderung darstelle. Umfragen zeigen, dass der Verdruss über die Biden-Administration vor allem damit zusammenhängt, dass das Coronavirus, das Biden im Sommer für nahezu besiegt erklärte, weiterhin das Leben bestimmt.
Der Präsident änderte im beginnenden Wahljahr seine Tonlage gegenüber den Republikanern. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so große Anstrengungen geben würde, um sicherzustellen, dass Biden nichts zustande bringt“, sagte er. Die Blockadepolitik werde er nun, da er vorhabe, durch das Land zu reisen, zum Thema machen. „Wofür sind die Republikaner“, fragte er. Man möge ihm auch nur eine Sache nennen. Mit Blick auf Trump fragte er: Wer hätte je gedacht, dass ein ehemaliger Amtsinhaber eine ganze Partei einschüchtern könne.
Wenige Stunden nach der Pressekonferenz erlitt Biden eine erwartete Niederlage im Kongress: Der Versuch der Demokraten, die Blockade der Republikaner gegen eine Wahlreform mit einer Änderung der Geschäftsordnung zu umgehen, scheiterte im Senat an zwei Stimmen aus den eigenen Reihen – Manchin und Sinema. „Ich bin zutiefst enttäuscht, dass der Senat es versäumt hat, sich für unsere Demokratie einzusetzen“, äußerte Biden. Freilich wird dem Demokraten vorgeworfen, mit seiner Dämonisierung der Wahlvorschriften in republikanisch kontrollieren Bundesstaaten die Chance einer überparteilichen Verständigung vertan zu haben.
Biden wies Kritik an seinem Team zurück. Und er stellte sich auch vor Kamala Harris, der vorgeworfen wird, ihre Rolle nicht zu finden. Seine Vizepräsidentin mache „einen guten Job“, sagte er. Mit ihr wolle er 2024 wieder antreten.