Bundesregierung kontert Kritik an Nachtragshaushalt
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Karlsruhe muss entscheiden, ob es zulässig war, Mittel aus den Coronahilfen in den Klimafonds zu schieben. Bild: dpa
Durfte die Ampel Mittel nutzen, die der Bundestag wegen der Corona-Krise bewilligt hatte, um Geld für spätere Jahre in den Energie- und Klimafonds zu schieben? Ein neues Gutachten differenziert diese Frage genau aus.
Die Bundesregierung kontert die Klage der CDU/CSU-Abgeordneten gegen den zweiten Nachtragshaushalt 2021. Auf 72 Seiten legen ihre Bevollmächtigten Alexander Thiele (Berlin) und Joachim Wieland (Bonn) dar, warum das Bundesverfassungsgericht nach ihrer Einschätzung nicht umhinkommen wird, den Antrag der Unionspolitiker als unbegründet abzulehnen – sowohl in der Hauptsache als auch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Es geht in Karlsruhe um die brisante Frage, ob die Ampelkoalition Kreditermächtigungen nutzen durfte, die der Bundestag wegen der Corona-Krise vergangenes Jahr bewilligt hatte. Da diese am Ende nicht voll benötigt wurden, hatten SPD, Grüne und FDP 60 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds geschoben.
Die Ampel hat zudem die Buchungsregel verändert. Die Verschuldung wird rückwirkend erhöht und verbucht, parallel steigt jedoch der Ausgabenspielraum in den kommenden Jahren, in denen die Schuldenbremse wieder greift. CDU-Chef Friedrich Merz nannte das eine unzulässige Umgehung der Schuldenregel.
Zwei unterschiedliche Arten von Krisen
Die Verfassungsrechtler im Dienst der Bundesregierung unterscheiden zwei Arten von Krisen: kurze, wie die Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 – und länger andauernde, wie die Corona-Pandemie. Ihre Folgerung lautet: „Während es im ersten Fall vornehmlich um Wiederaufbaumittel und regional begrenzte finanzielle Unterstützungen gehen wird, können im zweiten Fall auch allgemeine, die Gemeinschaft belebende finanzielle Aufwendungen nicht von vornherein als ,mittelbar‘ (und damit als nichtkreditfinanzierungsfähig) qualifiziert werden.“
Es gehe um die effektive Überwindung der Notsituation. Es sei insofern auch zu pauschal, wenn ausgeführt werde, dass von der Ausnahmeklausel im Grundgesetz nur solche Maßnahmen erfasst würden, die in das planende Haushaltsjahr fielen. Das ist in dem beklagten Fall wichtig, da es hier um die Übertragung von Geld auf spätere Jahre geht.
So schreiben Thiele und Wieland: Es komme auf die Art der Krise an. „Insbesondere da, wo die Krise erhebliche negative gesamtwirtschaftliche Auswirkungen hatte, deren Überwindung insbesondere durch die Anregung längerfristiger privater Investitionen erreicht werden soll, wäre eine entsprechende normative Begrenzung kontraproduktiv.“ Nach ihrer Einschätzung wäre es auch verfehlt, das Grundgesetz so zu interpretieren, dass die Belastung künftiger Generationen nicht durch den Schuldendienst erfolgt, dafür aber in der Zukunft weitaus stärker aufgrund versäumter Investitionen in den Klimaschutz.
Die beiden Juristen wollen dem Haushaltsgesetzgeber einen großen Freiraum zuschreiben. Die konkrete Abwägung zwischen den geeigneten Mitteln zur Abwehr der außergewöhnlichen Notsituation obliege ausschließlich ihm – habe ihm das Bundesverfassungsgericht doch selbst einen weiten Entscheidungsspielraum zugestanden. Zusammenfassend formulieren sie: „Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich die Zuführung an den Energie- und Klimafonds als mit den Vorgaben des Artikels 115 Absatz 2 Grundgesetz vereinbar.“