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„Rigaer 94“ : Barrikaden brennen und Steine fliegen

  • Aktualisiert am

Sicherheitskräfte am 16. Juni auf der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain Bild: AFP

Eine bevorstehende Brandschutzprüfung des besetzten Hauses „Rigaer Straße 94“ bringt linke Aktivisten auf die Barrikaden. Die Polizei rückt mit Wasserwerfern an. Sechzig Beamte werden verletzt.

          3 Min.

          Der Angriff wirkte geplant und gut vorbereitet. Am Mittwochvormittag, einen Tag vor der Brandschutzprüfung im besetzten Haus „Rigaer 94“ in Berlin-Friedrichshain, bauen vermummte Männer und Frauen Barrikaden auf den beiden nächsten Kreuzungen. Gitter, Autoreifen, Holzpaletten, Stacheldraht und alte Fahrräder stapeln sich auf der Straße. Als die ersten Polizisten erscheinen, werden die Barrikaden angezündet. Und als die Polizei mit Verstärkung anrückt, empfängt die Beamten ein Steinhagel.

          Bis zu 200 Vermummte hätten die Polizisten angegriffen, sagte eine Polizeisprecherin wenig später. Auch vom Dach der Rigaer Straße 94 seien Pflastersteine geflogen. Über der Straße lagen dichte Rauchschwaden, Böller explodierten in dichter Folge. Die Polizisten mussten sich erst einmal zurückziehen, manche suchten Schutz in Hauseingängen. Später sprach die Polizei von sechzig verletzten Kollegen.

          Die linksradikalen Bewohner und ihre Unterstützer schrieben im Internet: „Die Verteidigung der Rigaer94 hat begonnen.“ Und weiter: „In dieser Minute wird die Straße verbarrikadiert und eine autonome Zone eingerichtet, um die Rote Zone des Senats zu verhindern. Kommt schnell vorbei.“ Seit längerem hatten sie heftigen Widerstand gegen die seit Monaten geplante und von mehreren Gerichten bestätigte Brandschutzprüfung durch einen Sachverständigen und Vertreter des Eigentümers angekündigt.

          Symbolprojekt der Linksextremen

          Die Polizei hatte daher einen großen Einsatz geplant und von Mittwochnachmittag bis Freitagabend eine Sperrzone mit einem Demonstrationsverbot um das Haus verhängt. Zugang zum abgesperrten Bereich sollten nur Anwohner haben. Das Abfackeln der Barrikaden und der Angriff auf die Polizei erfolgte nur wenige Stunden, bevor die Sperrzone eingerichtet werden sollte.

          Es sollte wohl auch eine symbolische Aktion des gewaltsamen Widerstands von den Unterstützern eines der letzten Symbolprojekte der linksextremen Szene in der Hauptstadt sein. Nachdem die Polizei Verstärkung erhalten hatte, verschwanden die Randalierer schnell und hinterließen Flammen und schwarze Qualmwolken.

          Brennende Barrikaden am 16. Juni auf der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain
          Brennende Barrikaden am 16. Juni auf der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain : Bild: Reuters

          Die Polizei ließ vor den Augen zahlreicher Schaulustiger einen Wasserwerfer auffahren und die Feuer löschen. Ein Räumfahrzeug schob rauchende Trümmer zur Seite, in der Luft knatterte ein Polizeihubschrauber. Schließlich rückte die Feuerwehr an und löschte den Rest. Die umliegenden Kreuzungen sperrte die Polizei weiter ab und kontrollierte die Dächer wegen der Gefahren durch dort gelagerte Steine. An manchen Straßenecken stapelten sich da noch Pflastersteine in kleinen Häufchen, offenbar bereitgelegt für den Morgen.

          Die Umgebung des Hauses wollte die Polizei nun bis Donnerstag oder Freitag mit einem großen Aufgebot absperren. Polizisten aus anderen Bundesländern sollten den Einsatz unterstützen. Für den weiteren Mittwoch und auch die Nacht zu Donnerstag rechnete die Polizei aber nicht mehr mit „weiteren derartigen gewalttätigen Ausschreitungen“, wie die Sprecherin sagte.

          Die Brandschutzprüfung sei für 8 Uhr am Donnerstagmorgen geplant, kündigte ein Anwalt des Hauseigentümers an. Allerdings sind nach einer Gerichtsentscheidung vom Mittwochnachmittag die Vertreter des Hausbesitzers ausgeschlossen. Das Oberverwaltungsgericht erklärte, die Bewohner müssten nur das Betreten des Grundstücks durch einen staatlich anerkannten Brandschutzexperten und die Bauaufsicht dulden.

          Der Bezirk könne die Bewohner aber nicht verpflichten, das Betreten durch Vertreter des Hausbesitzers zu dulden. Das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung. Das Verwaltungsgericht hatte das mehrfach anders gesehen. Dagegen hatten die Bewohner Beschwerde eingelegt.

          Ursprünglich wollten neben dem offizielle Brandschutzprüfer auch zwei Anwälte des Eigentümers sowie ein weiterer von ihm beauftragter Brandschutz-Sachverständiger mitgehen. Auch Rechtsanwälte der Hausbewohner könnten vor Ort sein.

          In dem Gebäudekomplex aus drei Häusern mit dreißig Wohnungen wurden schon vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert, etwa fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Manche Fenster sollen vergittert sein. Der von den Grünen geführte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unternahm nichts – man wolle Gewaltausbrüche vermeiden, lautete die Begründung.

          Ob das verbarrikadierte Tor und die Wohnungen von Bewohnern geöffnet oder von der Polizei aufgebrochen werden, war vorher kaum abzusehen. Für viele Wohnungen gibt es Mietverträge. Unklar ist aber, wer inzwischen dort wohnt. Dem Hausbesitzer, der Polizei und den zuständigen Behörden wird der Zutritt seit langem verweigert. Der Anwalt des Hausbesitzers kündigte an, sollte das Brandschutzgutachten große Probleme zeigen, müssten unter Umständen Teile des Hauses gesperrt werden.

          Innensenator Andreas Geisel sagte wegen des Konflikts seine Teilnahme an der Innenministerkonferenz ab, die am Mittwoch beginnt. „Wer Autoreifen anzündet, kämpft nicht für linke Freiräume, sondern drangsaliert den eigenen Kiez“, teilte der SPD-Politiker mit.

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