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Investitionskontrollen Schweiz : Schweiz plant eine „Lex China“

Syngenta in China: Ein Getreidefeld zu Demonstrationszwecken in der Provinz Hebei. Bild: Reuters

Mittels Investitionskontrollen sollen "gefährliche Übernahmen" durch ausländische Staatskonzerne künftig verhindert werden. Die Wirtschaft sieht das kritisch.

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          Die Schweiz will künftig ein Wörtchen mitreden, wenn staatliche oder staatsnahe Investoren in der Eidgenossenschaft auf Einkaufstour gehen. Die Regierung in Bern, der sogenannte Bundesrat, plant ein Gesetz zur Einführung von Investitionskontrollen, das de facto eine „Lex China“ ist. Der Ausgangspunkt für diesen Vorstoß war die Übernahme des Basler Agrar-Chemiekonzerns Syngenta durch den Staatskonzern Chem China im Jahr 2017. Diese und andere Übernahmen durch chinesische Unternehmen weckten im Parlament in Bern die Sorge, dass heimische Arbeitsplätze sowie Technologie-Know-how ins Ausland verschwinden könnten. Auch Fragen der nationalen Sicherheit bewegten die Abgeordneten von links bis rechts.

          Johannes Ritter
          Korrespondent für Politik und Wirtschaft in der Schweiz.

          Der Bundesrat wollte davon jedoch zunächst nichts wissen. Anfang 2019 sprach er sich in einem umfassenden Bericht klar gegen die Einführung von staatlichen Investitionskontrollen aus. Diese brächten der Schweiz keinen Nutzen – im Gegenteil: Eine behördliche Kontrolle von Direktinvestitionen verunsichere die Investoren, erhöhe den administrativen Aufwand der betroffenen Unternehmen und schwäche die Attraktivität des Standortes Schweiz. Verkaufsbeschränkungen für private Unternehmen bedeuteten überdies einen starken Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit.

          Doch das Parlament sah das anders. Es stimmte mehrheitlich für den Antrag des Abgeordneten Beat Rieder von der Partei „Die Mitte“ (vormals CVP), ein Gesetz zum „Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen“ zu erarbeiten. Hierzu hat der Bundesrat nun erste Eckpunkte veröffentlicht. Dass er dies nur widerwillig tat, ist dem Vorwort in der verschickten Pressemitteilung deutlich zu entnehmen: „Die offene Politik gegenüber Investitionen aus dem Ausland ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz und damit auch für den Wohlstand der Bevölkerung von zentraler Bedeutung.“ Entsprechend soll es nach Vorstellungen der Regierung keine allgemeinen Kontrollen geben. Man will nur Übernahmen unter die Lupe nehmen, die von staatsnahen oder staatlichen Adressen ausgehen und die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in der Schweiz gefährden könnten. Auch wenn „wesentliche Wettbewerbsverzerrungen“ drohten, sollen Übernahmen künftig einer Melde- und Genehmigungspflicht unterliegen.

          Das Ziel verfehlt

          Konkret will der Bundesrat unter anderem jene Schweizer Unternehmen schützen, die systemrelevante Arbeit leisten, staatlichen Behörden sicherheitsrelevante IT-Systeme liefern, eine große Menge schützenswerter Personendaten verwalten und die Schweizer Armee mit wesentlichen Rüstungsgütern beliefern. Das Gesetz betrifft also im Kern die Branchen Energie, Informatik, Telekommunikation, Verkehr und Rüstung. Die Prüfungen sollen vom Wirtschaftsministerium in Bern vorgenommen werden. Dabei ist ein zweistufiges Verfahren geplant. Auf eine erste kurze Prüfung soll im Fall von Bedenken ein vertieftes Genehmigungsverfahren folgen. Marco Salvi, Forschungsleiter bei der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse, hält nichts von dieser Vorlage. Die für schützenswert erklärten Betriebe, die kritische Infrastrukturen bereitstellen, stünden ohnehin unter der Kontrolle des Bundes oder der Kantone, sagte Salvi der F.A.Z. Bezüglich der nationalen Sicherheit sei die Bedrohung durch ausländische Cyberattacken viel größer als jene durch etwaige Unternehmensübernahmen. Das Gesetz ziele also am eigentlichen Problem vorbei.

          In der Auslegung dessen, was als „staatsnah“ zu definieren ist, sieht Salvi große Schwierigkeiten. Tatsächlich könnte man wohl fast jedes chinesische Unternehmen als staatsnah bezeichnen – wegen des stetig wachsenden Einflusses und Zugriffs der Kommunistischen Partei. „Investitionskontrollen sind Regulierungstheater“, moniert Salvi. Das Gesetz könne dazu führen, dass die Chinesen den Schweizer Unternehmen gleichsam als Retourkutsche den Zugang zu ihrem Markt zusätzlich erschwerten.

          Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse steht dem Gesetzesvorhaben kritisch gegenüber: Die Schweiz verfüge heute schon über griffige Instrumente, um sicherheitsrelevante Infrastrukturen und Unternehmen mit besonderer Bedeutung für die Volkswirtschaft zu schützen. Gleichzeitig sei die Schweiz auf die Möglichkeit von eigenen Direktinvestitionen im Ausland angewiesen. Wer glaubwürdig von Partnerländern Marktöffnung für Direktinvestitionen einfordere, der könne im eigenen Markt nicht staatliche Investitionskontrollen aufbauen. Der Bundesrat will das Gesetz nun im Detail ausarbeiten und dann im kommenden Jahr den beiden Kammern des Parlaments vorlegen. Von dort werden erfahrungsgemäß etliche Änderungsvorschläge eingehen.

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