NSA-Überwachung : Amerikas Hybris
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Spionieren gehört nach wie vor zum Geschäft von Staaten. Die eigentliche Sensation ist das Ausmaß des amerikanischen Spähprogramms, und die Dreistigkeit, mit der es betrieben worden ist.
In der Affäre um amerikanische Spähaktionen täte man gut daran, weder zu hyperventilieren noch die Sache zu bagatellisieren. Es ist unangemessen und wirkt wie die Rache eines Halbstarken, das Ende der transatlantischen Partnerschaft auszurufen und mit einem Stopp der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zu drohen. Ein solches Abkommen liegt im wirtschaftlichen wie im geopolitischen Interesse Deutschlands und der EU.
Fast hat man den Eindruck, als komme die Affäre einigen Leuten ganz gelegen, die ohnehin gegen eine Vertiefung und Verbreiterung des atlantischen Marktes sind. Und so unschuldig und unwissend wie jetzt einige Politiker von Brüssel bis Berlin tun, können sie gar nicht sein. Spionieren gehört nach wie vor zum Geschäft von Staaten. Die eigentliche Sensation ist das Ausmaß des amerikanischen Spähprogramms, und die Dreistigkeit, mit der es betrieben worden ist. Über die Hybris, die dahinter steckt, muss man sich nicht wundern.
Aber dieses Programm wurde von Amerika eben gegen befreundete Staaten und Einrichtungen betrieben. Diesen Freunden ist es nicht zu verübeln, wenn sie sich darüber aufregen, dass sie „Angriffsziel“ sind; dass sie ausgespäht und ihre Räumlichkeiten verwanzt wurden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um politische oder um - immer aggressiver betriebene - Wirtschaftsspionage handelt. Um Terrorabwehr ging es beim Ausspionieren der EU-Vertretung in Washington gewiss nicht.
Eine Kältewand trennte Merkel und Obama
„Abhören von Freunden, das geht gar nicht“, hat die Kanzlerin wissen lassen. Ja, das zerstört Vertrauen und beschädigt Glaubwürdigkeit. Wie sehr, das war neulich in Berlin zu beobachten: Beim Thema amerikanische Geheimdienstaktivitäten trennte eine Kältewand die Bundeskanzlerin und Präsident Obama.
Offenbar hat dessen Regierung noch nicht begriffen, wie groß der Schaden ist und was daraus noch werden könnte. Das belegt auch die lapidare Bemerkung des Außenministers Kerry, die entsprechenden Aktivitäten des Geheimdienstes NSA seien nicht unüblich. Selbst wenn das so wäre oder ist (siehe oben), so ist es politisch unklug und arrogant, den erregten Europäern Naivität vorzuhalten. So schaden sich die Vereinigten Staaten selbst, deren Führung gerne beteuert, wie wichtig ihr die Partnerschaft mit Europa sei. Wichtiger scheint ihr im Moment eher Allwissenheit zu sein. Ein Selbstläufer wird das Freihandelsabkommen jetzt nicht mehr.