Fraunhofer-Studie : E-Scooter können CO2-Emissionen reduzieren
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E-Roller sind unbeliebt, können aber bei entsprechendem Verhalten der Nutzer für CO2-Einsparungen sorgen. Bild: dpa
Elektro-Roller sollten die Verkehrswende unterstützen. Doch ihr Nutzen für das Klima wird immer wieder bezweifelt. Eine neue Studie bescheinigt den Rollern nun positive Effekte – doch das hängt stark vom Nutzungsgrund ab.
Im Juli war es mal wieder so weit: Umweltschützer zogen sich Neoprenanzüge an, um gesichert an zwei Seilen am Kölner Altstadtufer im Rhein zu tauchen – und E-Scooter zu bergen. 20 der elektrisch angetriebenen Tretroller fischten die Taucher aus dem Rhein, obwohl ein Abstellverbot am Ufer das eigentlich verhindern sollte. Schon im Vorjahr hatten Umweltschützer mehr als 100 E-Scooter aus dem Fluss gefischt.
Es sind Meldungen wie diese, die viele Menschen am Nutzen der E-Scooter für die Umwelt zweifeln lassen. Dabei waren E-Scooter zu ihrer Einführung ein Hoffnungsträger der Mobilitätswende. Sie sollten die berüchtigte „letzte Meile“ überbrücken – also etwa den Weg vom Bahnhof bis zur Wohnung – und so auch den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen.
Neue Studie wertet Daten von 4000 Menschen aus
Eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) im Auftrag des E-Roller-Verleihers Lime kommt nun zu dem Ergebnis: Geteilte E-Scooter und E-Bikes können helfen, den Treibhausgasausstoß zu verringern. Dafür haben die Fraunhofer-Forscher Umfragedaten von mehr als 4000 Menschen aus sechs Großstädten ausgewertet, die E-Scooter von Lime nutzen. Teilgenommen haben Menschen aus Berlin, Düsseldorf, Paris, Stockholm, Seattle und Melbourne.
Sie beantworteten in einem Fragebogen unter anderem, welche Verkehrsmittel sie für eine Fahrt genutzt hätten, wenn keine E-Scooter oder E-Bikes zur Verfügung gestanden hätten. Die Forscher verglichen dann die CO2-Emissionen über den Lebenszyklus der E-Scooter mit den CO2-Emissionen im Lebenszyklus der Verkehrsmittel, die die Menschen ansonsten genutzt hätten und passten die Daten an die Gegebenheiten der einzelnen Städte an. Da es sich um Schätzungen handelt, können die Berechnungen Ungenauigkeiten unterliegen.
CO2-Einsparungen wie 1000 Baumsetzlinge
In Melbourne hatten die E-Scooter die größten Effekte, vor allem weil die für E-Autos und öffentlichen Verkehr verwendete Elektrizität dort noch deutlich CO2-intensiver produziert wird als in Europa. Pro Kilometer sparten die Menschen in Melbourne den Fraunhofer-Berechnungen zufolge verglichen mit dem ansonsten genutzten Verkehrsmittel etwa 42,4 Gramm CO2 ein. Aber auch in Düsseldorf berechneten die Forscher Einsparungen von 22,1 Gramm CO2 pro Kilometer, in Paris und Stockholm waren es jeweils 20,7 Gramm CO2 pro Kilometer, in Berlin immerhin noch 14,8 Gramm.

Über einen Zeitraum von einem Monat im späten Frühjahr 2022 entsprachen die Einsparungen in Düsseldorf 4 Tonnen CO2 und in Paris 66 Tonnen. Um so viel CO2 aufzunehmen, müssten immerhin 1000 Baumsetzlinge zehn Jahre wachsen, schreiben die Autoren der Studie. Allerdings: E-Scooter-Verleiher haben im Frühjahr und im Sommer üblicherweise deutlich mehr Kundschaft als im Winter. Daher dürften die CO2-Einsparungen saisonal stark schwanken.
Auf den Nutzungsgrund kommt es an
Den größten Klimaeffekt weisen die E-Scooter dabei auf, wenn sie Taxidienste ersetzen. Dort sparen die Roller im Durchschnitt aller untersuchten Städte fast 700 Gramm CO2-Äquivalente pro Fahrt ein. Auch als Alternative zum privaten Auto spart eine Fahrt mit dem E-Scooter laut Fraunhofer-Berechnungen mehr als 300 Gramm CO2 ein. Der Umstieg von solchen „stark emittierenden Verkehrsmitteln“ auf geteilte E-Bikes oder E-Scooter sei in Sachen Emissionsreduzierung „durchaus substanziell“, schreiben die Studienautoren.
Die Nutzung der E-Roller kann aber auch zu einem Anstieg des CO2-Ausstoßes führen, etwa wenn dadurch Fußwege oder eine Fahrt mit einem privaten E-Bike ersetzt werden sowie wenn die Fahrt ansonsten gar nicht stattgefunden hätte. Verschiedene Umfragen deuten darauf hin, dass solche „Spaßfahrten“ durchaus öfter vorkommen. Eine repräsentative Umfrage des ADAC ergab etwa im Juli, dass für jeden siebten Fahrspaß der wichtigste Grund für die Nutzung der E-Roller ist. Zwölf Prozent der Befragten sahen E-Scooter hauptsächlich als Alternative zum zu Fuß gehen. Dennoch: Der Anstieg der Treibhausgasemissionen durch solche Substitutionen sei in der Regel geringer als die Einsparungen durch die Verlagerungen weg von der Autonutzung, schreiben die Forscher.
Das hat auch damit zu tun, dass die Anbieter ihre Roller in den vergangenen Jahren immer robuster gemacht haben. Die E-Scooter der ersten Generation hielten nur wenige Monate, neue Modelle können bei regelmäßiger Wartung drei Jahre oder deutlich länger auf der Straße bleiben. Dadurch ist die Treibhausgasbelastung den Fraunhofer-Berechnungen zufolge von der ersten Generation bis zur aktuellen um mehr als 80 Prozent zurückgegangen.
E-Bikes schneiden schlechter ab
Viele E-Scooter-Verleiher bieten mittlerweile auch E-Bikes zum Ausleihen an. Diese schnitten in der Studie schlechter ab als die E-Scooter. Während die Leihräder in Düsseldorf immerhin noch 20,4 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer einsparten, stiegen in Berlin die Emissionen sogar um 13 Gramm pro Kilometer an. Die Studienautoren erklären das damit, dass geteilte E-Bikes seltener als Ersatz für motorisierte Vehikel dienen, die Diebstahlraten höher sind und die Nutzungsintensität geringer ist als bei E-Scootern. Die Emissionen privater E-Bikes über ihren Lebenszyklus sind hingegen deutlich geringer.
Um die Klimawirkung von E-Rollern und E-Bikes zu verbessern solle die Industrie die Lebensdauer der Fahrzeuge weiter verlängern, die Dekarbonisierung in der Produktion vorantreiben und durch Partnerschaften eine Verlagerung von Taxidiensten und dem eigenen Auto zu klimafreundlicheren Alternativen hinwirken, fordert Claus Doll, Mobilitätsexperte des Fraunhofer ISI und Mitautor der Studie. Zudem müssten Anbieter und Stadtplaner für eine bessere Verknüpfung der Leihangebote mit dem öffentlichen Verkehr sorgen.