OB-Stichwahl in Frankfurt : „Vielleicht fehlt der Bahnbabo für den Wahlspaß“
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Mehr Wahlhelfer als Wähler? Im Wahllokal 290-01 war nicht so viel los. Bild: Rosa Burczyk
Die Frankfurter bestimmen in der Stichwahl zwischen Uwe Becker und Mike Josef ihr neues Stadtoberhaupt. In den Wahllokalen scheint wenig los, Manche vermissen die Wahloptionen des ersten Durchgangs.
Als Paul-Gerhard Lemcke den zwanzigsten Strich auf seiner Liste macht, ist es kurz vor elf. „Wenn wir absehen, dass wir unter 50 Wählern bleiben, müssen wir das melden – dann werden wir mit den anderen Wahllokalen zusammengelegt“, sagt der Wahlvorstand von Bezirk 170-02 in Westend-Süd. Er und sein Team haben schon vor drei Wochen im Goethegymnasium Stimmzettel ausgegeben, Wahllisten abgehakt und auf einem Zettel eine Strichliste geführt, wie viele Frankfurter von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, den nächsten Oberbürgermeister zu bestimmen.
In der ersten Runde sah es anders aus als bei der Stichwahl an diesem Sonntag: „Wir hatten bei der Hauptwahl 300 Wähler hier plus 370 Briefwähler aus dem Bezirk“, sagt Lemcke. Die Wahlbeteiligung habe mit mehr als 50 Prozent über dem Schnitt der Stadt von gut 40 Prozent gelegen. Im ersten Wahlgang entschied Uwe Becker das Westend-Süd deutlich für sich: 47,4 Prozent holte der CDU-Kandidat. SPD-Kandidat Mike Josef lag abgeschlagen mit 17,9 Prozent weit hinter ihm und Manuela Rottmann (Die Grünen).
Resignieren die Grünen-Wähler
Das vorläufige Ergebnis am Wahlabend zeigt dann: Zusammengelegt werden musste Lemckes Wahlbezirk zwar nicht, aber es stimmten nur 210 Personen ab – mehrheitlich wieder für Becker. Dass die Wahlbeteiligung in der zweiten Runde sinkt, ist nicht neu. In der Stichwahl zwischen CDU-Bewerberin Bernadette Weyland und dem damaligen Amtsinhaber von der SPD, Peter Feldmann, im Jahr 2018 lag sie bei 30,2 Prozent – dem niedrigsten Wert für eine solche Wahl in Frankfurt überhaupt.
Diesmal haben sich ein paar mehr Wähler aufgemacht – die Wahlbeteiligung liegt nach den ersten veröffentlichten Ergebnissen bei knapp mehr als 34 Prozent. Mancher hatte wohl keine Lust, sich noch einmal zur Urne zu begeben, andere konnten mit den verbleibenden Optionen nichts anfangen. „Ich habe vor drei Wochen Rottmann gewählt“, sagt vor der Wahl etwa eine junge Frau aus dem Nordend-Ost und hadert mit sich, ob sie überhaupt gehen wird. Die Grünen hatten eigentlich eine Wahlempfehlung ausgesprochen, ob sich die Klientel daran hält, ist aber fraglich. In der Stichwahl 2018 wechselten zum Beispiel 10.000 Grünen-Wähler ins Lager der Nichtwähler. Wohin die Wähler diesmal gewandert sind, wird die Stadt am Montag in ihrer Wahlstatistik veröffentlichen.
Auch Paul-Gerhard Lemcke aus dem Wahllokal im Westend denkt, dass viele zu Hause bleiben, weil sie mit der verfügbaren Auswahl nichts anfangen können. „Macht den Leuten vielleicht nicht mehr so viel Spaß, wenn sie den Bahnbabo nicht mehr wählen können“, sagt der bald 80 Jahre alte Wahlvorstand mit einem Zwinkern. Der Regen tue das Übrige. Nebenan in Wahllokal 170-03 dachten die Wahlhelfer am Morgen, die Wähler hätten vergessen, die Uhr auf Sommerzeit umzustellen, denn in der ersten Stunde kam kein einziger. Traditionell gehen die Menschen aber ohnehin häufiger nachmittags wählen. Wer gleich morgens kam, war die älteste Wählerin des Bezirks, eine 92 Jahre alte Dame, wie eine Wahlhelferin erzählt.
Statistischer Befund: Vor allem die Älteren gehen wählen
Die Beobachtung deckt sich mit einem anderen statistischen Befund: Wählen gehen vor allem die Älteren. So berichtet am Stichwahlsonntag ein Rentner in Bornheim, er sei extra einen Umweg gelaufen, um in seinem Wahllokal vorbeizugehen, während zwei junge Frauen mit extrem langen künstlichen Wimpern etwas anderes sagen: „Nee, also wenn Bundeskanzlerwahl ist, gehen wir schon. Aber Hessen, das interessiert uns nicht so.“ Für Mike Josef reichte es am Ende, obwohl Uwe Becker den klaren Sieg im ersten Wahlgang mit den Stimmen der Wähler errungen hatte, die älter als 45 Jahre sind.
Einer der beiden Stadtteile, die Josef in der ersten Runde für sich entscheiden konnte, ist Bornheim. Dort holte er fast 30 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung im Stadtteil war um gut sechs Prozentpunkte stärker als im Durchschnitt der Stadt. Um die Mittagszeit ist noch nicht klar, ob Josef es schafft, seine Wähler dort noch einmal zur Urne zu bewegen. Im Wahllokal 272-03 in der Kirchnerschule gibt Wahlvorstand Eva Thiem eine verhalten optimistische Einschätzung, was die Wahlbeteiligung angeht: In Präsenz waren bis zum Mittag etwa zehn Prozent der Wahlberechtigten dort – am Ende des Abends werden es 23,6 Prozent sein. Hinzu kommen aber noch Briefwähler, ein gutes Drittel der Wahlberechtigten. Thiem, die schon einige Erfahrung als Wahlvorstand hat, tippt auf eine Wahlbeteiligung von rund 35 Prozent – und soll damit recht behalten.