Lange Tradition : Pfadfinder zelten schwarz
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Pfadfinder wissen nicht nur anderen, sondern auch sich selbst zu helfen: Aufbau einer Jurte Bild: Franz Bischof
Die Pfadfinder hierzulande sind stolz auf eine Zeltart, die es fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum gibt.
„Schwarzzelte, und damit verbinde ich vor allem die Pfadfinderei, ziehen eine unglaubliche Vielzahl an einzigartigen jungen Menschen an“, sagt der 18 Jahre alte Daniel Weitsch, der Stammesführer des Pfadfinderstamms John F. Kennedy aus Frankenthal. Schwarzzelte der Pfadfinder sind Kohten und Jurten.
Sie unterscheiden sich von den traditionellen Schwarzzelten der Nomaden, denn sie werden anstatt aus Tierhaaren aus schwarzem Baumwollmaterial hergestellt. Heute gibt es Schwarzzelte auch in anderen Farben. Abhängig von der Anzahl und Art der verwendeten Zeltplanen, wie Trapez-, Rechteck- und Quadratplanen, kann man die Zelte in verschiedenen Bauweisen zusammenstellen.
Die Kohte wurde um 1930 von Eberhard Koebel auf Basis der Zeltform der finnischen Samen entwickelt. Die erste Muster-Kohte wurde aus weißem Segeltuchstoff gefertigt. Koebel benutzte nie den Begriff Schwarzzelt und kannte auch das Schwarzzelt der Nomaden nicht. Die Bezeichnung kam von der nahezu ausschließlichen Verfügbarkeit von schwarzen Zeltplanen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Aus der Zeit bündischer Gruppen
Von da an wurde die mittlerweile wetterbeständige Kohte von den Pfadfindern und anderen Gruppen der deutschen Jugendbewegung übernommen und wird auch heute hauptsächlich im deutschsprachigen Raum verwendet.
„An vorderster Stelle steht hier die Tradition. Das größte Überbleibsel aus der Zeit der Wandervögel oder anderer bündischer Gruppierungen findet sich im Liedgut und in den Zelten“, sagt Pfadfinder Weitsch. „Das fällt vor allem in internationalen Lagern auf: Die deutschen Pfadfinder sind die einzigen, die solche Zelte benutzen, während andere eher Plastikzelte benutzen“, fügt Andreas Hollfelder, der Geschäftsführer des Stammes John F. Kennedy, hinzu.
Es gibt einige Hersteller für Schwarzzelte in Deutschland, darunter die Unternehmen Tortuga, Seegler und Outbreak. Die Preise liegen für Kohten zwischen 500 und 700 Euro und für Jurten bei 1400 bis 2300 Euro. Stefan Reuss ist Geschäftsführer der Tortuga GmbH aus Reichenau-Waldsiedlung. „Mit neun Jahren habe ich das erste Mal in einem Zelt übernachtet“, erzählt er.
Tortuga ist Marktführer
Seine Mutter ist Schneiderin und Modedesignerin, er wuchs quasi zwischen Nähmaschinen auf. Reuss arbeitet seit zwei Jahren bei Tortuga, mit sechs weiteren Mitarbeitern. Tortuga verkauft an Großhändler und Outdoorgeschäfte. „Die am meisten verkauften Produkte sind die Schwarzdoppelzelte“, sagt Reuss.
„Es dauert bis zu 1000 Minuten, bis ein Zelt fertiggestellt werden kann“, berichtet er. Die Herausforderung sei, eine gute Stoffqualität zu finden. „Schwarzzelte halten bei regelmäßigem Gebrauch etwa zwei bis drei Jahre.“ Tortuga erzielte 2018 einen Umsatz von 2 Millionen Euro.
„Die Umsätze 2018 und 2019 sind ähnlich. 2020 wird jedoch ein signifikanter Einschnitt, da alle Zeltlager abgesagt wurden“, berichtet Reuss. „Im Bereich Schwarzzelte sind wir Marktführer“, sagt er. Den Marktanteil schätzt er auf rund 80 Prozent. Künftig will man die Marke in ganz Europa etablieren.
Seegler hat schon Duschen eingebaut
Zu den größten Konkurrenten zählt das Unternehmen W. H. Seegler Produkte aus Ruppach-Goldhausen. Geschäftsführer Werner Seegler war Messermacher, bevor er sein Sortiment um Schlafsäcke und vor allem Schwarzzelte erweiterte. Er beschäftigt zwanzig Näher und vier weitere Mitarbeiter. „Ich war selbst 35 Jahre sehr aktiv bei den Pfadfindern“, erzählt er. Manchmal helfe er noch bei der Ausbildung von Gruppenleitern aus.