Mayers Weltwirtschaft : Der digitale Euro
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Thomas Mayer Bild: Thilo Rothacker
Facebooks neuer Digitalwährung sollte Europa etwas entgegensetzen. Der Euro ist dafür wunderbar geeignet.
Das Konzept von Facebook zur Schaffung einer digitalen Währung ist ehrgeiziger angelegt, als ich es erwartet hatte. Insbesondere beeindruckt die Einbindung weiterer, meist amerikanischer Plattformunternehmen mit globalen Netzwerken in ihr Management. Die dazu gegründete Libra-Vereinigung soll von 28 Gründungsmitgliedern mit der Zeit bis auf 100 Mitglieder anwachsen. Schaut man sich im Euroraum um, findet man jedoch kaum Unternehmen, die geeignet wären, bei diesem Projekt mitzumachen. Das erinnert an die Aufstellung in „Social Media“. Auch dort sind wir mangels entsprechender europäischer Plattformunternehmen auf amerikanische Unternehmen angewiesen, deren Geschäftspraktiken uns nicht immer zusagen. Wollen wir beim digitalen Geld nicht die gleiche Erfahrung machen, bräuchten wir eine europäische Alternative. Da wir keine privaten Unternehmen haben, die dies leisten könnten, sollten wir über die Digitalisierung des Euros nachdenken.
Der Euro und die Blockchain
Der erste Schritt dazu wäre die Schaffung einer sicheren Euro-Bankeinlage durch die vollständige Unterlegung der Einlage mit Zentralbankgeld. Das für die Deckung notwendige Zentralbankgeld könnte die Europäische Zentralbank (EZB) durch den Kauf von Staatsanleihen erwerben. Im zweiten Schritt könnte die sichere Euro-Einlage als digitales Zentralbankgeld aufgestellt werden, das sich mit Blockchain-Technologie direkt übertragen lässt. Der Euro würde damit wie Libra zu einem Asset-Token, der jedoch allein mit Anleihen der öffentlichen Hand unterlegt wäre. Im Gegensatz zu Libra wäre er kein Surrogat von Kreditgeld, sondern reines Zentralbankgeld. Für seine Emission wäre nur die EZB (und nicht wie im Kreditgeldsystem die Geschäftsbanken) verantwortlich.
Die Erhöhung der Geldmenge würde über Käufe von Staatsanleihen erfolgen, wobei die Entscheidung darüber unabhängig von politischen Einflüssen und unter langfristigen Gesichtspunkten erfolgen müsste. Denkbar wäre, dass sich das Wachstum der Euro-Geldmenge an der langfristig erwarteten Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (dem Wachstumspotential der Wirtschaft) orientieren würde. Statt durch die Kreditgewährung der Banken würde die Geldmenge also durch eine Erhöhung der Forderungen an die Eurostaaten ausgeweitet, die sich verpflichten könnten, das neu geschaffene Geld als „Gelddividende“ direkt an die Bürger auszuschütten. Dadurch könnte eine Geldschöpfung zu fiskalischen Zwecken vermieden werden.
Die Geschäftsbanken müssten nun Spareinlagen ihrer Kunden in Form von digitalen Euros zu Marktzinsen an Investoren vermitteln. Ihre bisherige Tätigkeit, Geld durch Kreditvergabe zu schaffen, würde obsolet. Sie würden einem Investmentfonds gleichen, dessen Anlagen durch ein Eigenkapitalpolster vor Verlust begrenzt gesichert wären. Die Sparer könnten entsprechend ihrer Präferenzen für Rendite und Verlustabsicherung die für sie passende Bank wählen. Die Zentralbank würde den Zins nicht länger zur Steuerung der Kreditgeldschöpfung der Banken manipulieren, und der Staat bräuchte das private Schuldgeld der Banken nicht länger zu garantieren. Geld verlöre seine Eigenschaft als Instrument der Konjunkturpolitik. Aber darüber würde sich nur grämen, wer vergessen hat, dass die Wirkungen der Geldpolitik auf Wirtschaftswachstum und Inflation lang und unberechenbar sind.
Ein New Deal ist möglich
Aus der Digitalisierung ergibt sich die Möglichkeit eines New Deal zur Entschuldung der Eurostaaten und Absicherung des Euros: Die fiskalpolitisch konservativen Nordländer erklären sich mit der einmaligen Monetisierung der Altschulden auf der Bilanz der EZB durch Schaffung einer sicheren Einlage einverstanden. Dafür akzeptieren die hochverschuldeten Südländer, dass nach der einmaligen Monetisierung ihrer Altschulden eine erneute Monetisierung von Staatsschulden im System des digitalen Euros ausgeschlossen ist.
Die Gelddigitalisierung gäbe dem Euro eine neue Perspektive, die er im Kreditgeldsystem langfristig kaum haben dürfte. Kreditgeld braucht zu seiner Rückversicherung einen Staat, der für den Euroraum nicht geschaffen werden kann. Digitales Geld kann dagegen auch ohne staatliche Garantie existieren. Die Stabilität der Kaufkraft des Euros würde im Wettbewerb mit Libra und anderen digitalen Währungen entstehen, statt in nicht durchsetzbaren Verträgen versprochen zu werden. Zentralbanker stehen der Digitalisierung des Geldes sehr skeptisch gegenüber. Sie könnten diese verbieten, um das althergebrachte Kreditgeldsystem trotz seiner unübersehbaren Mängel zu konservieren. Aber wollen wir in der neuen digitalen Welt wirklich ein analoges Geldmuseum errichten?
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Professor an der Universität Witten/Herdecke.