Ein berühmter Mann : Warum Harvey Weinstein in Hollywood geschützt wurde
- -Aktualisiert am
Harvey Weinstein im Jahr 2013 mit seiner Frau Georgina Chapman (zweite von links), die ihn inzwischen verlassen hat, im Gespräch mit der Schauspielerin Kerry Washington (rechts, sitzend) Bild: Reuters
Die sexuellen Übergriffe des Filmproduzenten Harvey Weinstein galten in Hollywood seit vielen Jahren als offenes Geheimnis. Doch warum schwiegen nicht nur Schauspielerinnen und Kollegen, sondern auch die Medien?
Harvey Weinstein hat Filme wie „Pulp Fiction“, „Shakespeare in Love“ und „The King’s Speech“ produziert – und er soll über Jahrzehnte Frauen sexuell belästigt haben, in mindestens drei Fällen sogar vergewaltigt. Das allein wäre schon ungeheuerlich genug. Doch wie es scheint, waren nicht nur Weinsteins filmische Leistungen den meisten Leuten in Hollywood bekannt, sondern auch seine Vergehen. Es habe sich um ein offenes Geheimnis gehandelt, heißt es in amerikanischen Berichten. Offen sprach darüber aber niemand in der Filmbranche. Auch die Medien berichteten nicht. Wie kann das sein?

Redakteurin im Frankfurter Allgemeine Magazin.
Amerika sucht eine Antwort auf diese Frage, seit immer mehr Frauen mit Vorwürfen gegen den 65 Jahre alten Filmproduzenten an die Öffentlichkeit gehen. Darunter sind Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Ashley Judd, Asia Argento, Gwyneth Paltrow, Cara Delevingne und Léa Seydoux. Ihre Berichte zeigen: Weinsteins Übergriffe hatten System. Opfer waren meist junge Frauen zu Beginn ihrer Karriere. Weinstein versprach den Frauen, sie zu fördern – und bedrängte sie. Teils wirkten seine Mitarbeiter als Lockvögel, luden die Frauen ein, wodurch das Ganze offiziell wirkte.
Im Fall von Cara Delevingne, die ihre Erfahrungen mit Weinstein vor nicht einmal 24 Stunden bei Instagram veröffentlichte, soll etwa Weinsteins Assistentin gesagt haben, der Wagen der Schauspielerin stehe noch nicht bereit und sie solle ruhig erst noch mit Weinstein auf dessen Zimmer gehen, bis es so weit sei. Sie habe sich in diesem Moment sehr hilflos gefühlt, schrieb Delevingne. Im Hotelzimmer habe Weinstein sie erst aufgefordert, eine andere Frau zu küssen, die ebenfalls anwesend war. Als Delevingne daraufhin gehen wollte, habe er sich ihr an der Tür in den Weg gestellt und versucht, sie auf den Mund zu küssen. Aus Scham und einer Art Schuldgefühl, weil sie nach diesem Vorfall in einem von Weinstein produzierten Film mitspielte, war Delevingne bisher nicht an die Öffentlichkeit gegangen.
Wie ihr ging es offenbar den meisten Frauen. Sie hatten Angst um ihre Karriere, ihren Ruf, ihr bisheriges Leben. „Ich fürchtete, er würde mich zerstören“, sagte etwa die italienische Schauspielerin Asia Argento. „Ich weiß, dass er schon andere Leute zerstört hat.“ Vor 20 Jahren hatte Weinstein sie zu Oralsex gezwungen. Weinstein selbst erkaufte sich bei mindestens acht Frauen ihr Schweigen mit Abfindungen, unter ihnen die Schauspielerin Rose McGowan.
Damit ist es jetzt vorbei. Alles begann vor einer Woche mit einem Artikel in der „New York Times“, nach dessen Erscheinen Weinstein von seiner Produktionsfirma Weinstein Company entlassen wurde. Im Magazin „New Yorker“ folgte ein Text des Journalisten Ronan Farrow, in dem 13 Frauen Vorwürfe gegen Weinstein erheben, die teils deutlich über die in der „New York Times“ hinausgehen.
Affäre Weinstein : Immer mehr Vorwürfe gegen Filmboss
Neben der Filmbranche gerät in der Affäre um Weinstein nun auch die Medienbranche unter Druck. Denn was im „New Yorker“ als Text erschien, lag nach Aussage des Autors bereits seit Monaten als Fernsehbericht vor, den der Sender NBC aber nicht bringen wollte. Über die Gründe wird nun spekuliert: NBC habe Angst vor Weinsteins Anwälten gehabt, viele Journalisten seien außerdem eng mit ihm verbunden gewesen, hätten als Drehbuchautoren oder Berater für Filme gearbeitet. Das berichtet etwa eine Reporterin des „New York Magazine“.
Es wurde Druck auf Zeitungen ausgeübt
Schon 2004, schrieb derweil die Journalistin Sharon Waxman, habe sie bei der „New York Times“ einen Artikel über die Vorwürfe gegen Weinstein veröffentlichen wollen. Der habe Druck auf die Zeitung ausgeübt, sie persönlich sei von Berühmtheiten wie Matt Damon angerufen und darum gebeten worden, die Geschichte nicht zu veröffentlichen. Am Ende sei sie ohne die Missbrauchsvorwürfe erschienen. Matt Damon streitet das ab, die „New York Times“ ebenfalls.