Schönheitsideale : Muskelmänner
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Palästinensische Bodybuilder lassen im September 2019 beim Bodybuilding- und Fitness-Wettbewerbs ihre Muskeln spielen. Bild: dpa
Unter der Schreckensherrschaft des Magazins „Men’s Health“ sind Männer viel unzufriedener mit ihrem Körper als in Uganda oder Nicaragua. Das sollte ihnen zu denken geben.
Natürlich können Menschen auf alle nur erdenklichen Arten gut aussehen. Trotzdem ähneln die Menschen auf Zeitschriftencovern einander frappierend – und das gilt nicht nur für Frauen. Muskeln scheinen für Männer verpflichtend zu sein nach diesem medialen Schönheitsideal, je sichtbarer sie sind, desto besser. Deshalb verwundert es nicht, dass viele Männer im Fitnessstudio schwitzend Muskelberge aufbauen, die in erster Linie eine dekorative Funktion haben, weil sie weder für die Rückengesundheit nötig sind noch für den Schreibtischjob. Wer solche Muskeln nicht hat, der weiß doch jederzeit, dass er sie eigentlich haben müsste, um die Schönheitsnorm zu erfüllen, und rettet sich mit Humor über den eigenen Bierbauch oder indem er sein T-Shirt im Zweifelsfall anlässt. Aber wird denn wirklich niemand davon verschont?
Bestsellerautor oder Intellektueller zu sein reicht jedenfalls schon mal nicht, wie man sehen konnte an den Unterwäschefotos von Frank Schätzing, die sich der halben Buchbranche unauslöschlich in die Netzhaut gebrannt haben, und an der Facebook-Seite von Julian Nida-Rümelin, der vergangenes Jahr ein bizepsbetonendes Foto seines Workouts mit den Worten „muss zwischendurch sein, sonst droht die Verwandlung in einen Bücherwurm“ kommentierte. Wie genau so ein Bücherwurm aussähe (sehr lang und dünn?) und was daran so schlimm wäre, blieb ungeklärt, aber britische Psychologen haben gerade zumindest untersucht, wo die geographischen Grenzen von Muskeln als Schönheitsnorm liegen. Für ihre Studie „Muscles and the Media“ forschten sie in Uganda und Nicaragua und verglichen die Ergebnisse mit Daten aus England. Ergebnis: In Ländern fernab der Schreckensherrschaft von „Men’s Health“ legen Männer weniger Wert auf sichtbare Muskeln. Außerdem waren die Männer in Uganda und Nicaragua im Schnitt signifikant zufriedener mit ihren Körpern als ihre britischen Geschlechtsgenossen – und zwar umso zufriedener, je weniger Berührung mit westlichen Medien oder Sportübertragungen sie hatten.
Männer stehen also vor der Wahl: nie wieder Fußball und Leichtathletik gucken und dafür den eigenen Körper lieben lernen oder auch künftige Weltmeisterschaften und Olympische Spiele mit Chips auf der Couch verfolgen und sich danach ein bisschen hassen? Keine leichte Entscheidung. Aber die aktuelle Aussetzung aller Sportveranstaltungen lässt ja viel Zeit zum Nachdenken.