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Vulkanismus : Wie wirkt sich die Eruption im Pazifik auf das Klima aus?

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Der richtige Rumms kam erst noch, als am 14. Januar Filmaufnahmen des ausbrechenden Hunga Tonga-Hunga Ha'apai entstanden, aus denen dieses Bild stammt. Bild: via REUTERS

Die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war im gesamten Pazifikraum zu spüren und weltweit messbar. Wissenschaftler fragen sich, ob das auch für seine Auswirkungen auf das Klima gilt.

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          Als die Druckwelle des explodierten Südsee-Vulkans um die Welt raste, war Michael Sigl gerade in den Schweizer Bergen unterwegs. Kein Handy, kein Internet, dafür Ruhe und beste Fernsicht über dem Nebelmeer. Kurz vor dem Schlafengehen öffnete der Berner Atmosphärenchemiker und Paläoklimatologe die Twitter-App und entdeckte seltsame Satellitenbilder, die dort gepostet wurden. Wie in einer Endlosschleife schossen über der Südsee riesige Aschewolken empor, die offensichtlich von einem Vulkan stammen mussten. Da begriff der Vulkanexperte, was er verpasst hatte: Der Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war wenige Stunden vorher mit großem Getöse in die Luft geflogen. Eine Vulkanexplosion, wie sie nur alle paar Jahrzehnte vorkommt.

          In der folgenden Nacht konnte Sigl kaum schlafen, erzählt er. Solche Satellitenfotos hatte er noch nie gesehen. Und tatsächlich, der Ausbruch war der heftigste seit dreißig Jahren. Letztmals hatte sich im Juni 1991 eine ähnlich spektakuläre Eruption ereignet, als auf den Philippinen der Pinatubo neun Kubikkilometer Asche und megatonnenweise Schwefeldioxid in die Atmosphäre spuckte. Dadurch kühlte sich der Planet kurzzeitig um ein halbes Grad ab. Auch der Hunga Tonga-Hunga Ha’apai machte sich am 15. Januar weltweit bemerkbar. Berichten zufolge war er noch in Alaska zu hören – und erinnerte Vulkanologen an den Knall, mit dem sich anno 1883 der Krakatau zwischen Java und Sumatra in die Luft sprengte und einen verheerenden Tsunami auslöste. Er gilt bis heute als das lauteste Geräusch der Geschichte.

          Phasen der Eruption vom 15. Januar 2022, aufgenommen von dem japanischen Satelliten Himawari-8
          Phasen der Eruption vom 15. Januar 2022, aufgenommen von dem japanischen Satelliten Himawari-8 : Bild: AP

          Gewaltig war auch die Eruptionssäule des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai: Sie erhob sich bis zu 39 Kilometer in die Stratosphäre, dem zweiten Stockwerk der irdischen Lufthülle, und ließ sich eindrücklich vom Weltraum aus beobachten, wie auch das Blitzfeuerwerk, das sich im Anschluss an die Explosion ereignete. Meterhohe Tsunamis überfluteten die Küsten der mehr als hundert Inseln im Königreich Tonga, das wahre Ausmaß der Schäden und Opfer blieb lange unklar. Doch die Flutwellen türmten sich auch an den Pazifikküsten von Chile bis Japan auf; größere Schäden blieben dort glücklicherweise aus. Nicht zu spüren waren hingegen die Druckwellen der Explosion, die weltweit den Luftdruck schwanken ließen. „Dass man die Schallwellen über den ganzen Globus verfolgen kann, ist schon sehr ungewöhnlich“, sagt die Atmosphärenforscherin Claudia Timmreck vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.

          Das Leid der betroffenen Menschen im Inselreich Tonga macht Michael Sigl betroffen. Aber aus Sicht eines Wissenschaftlers gab es bei dieser Eruption zugleich einiges zu lernen und zu entdecken: Zum ersten Mal wurde eine solche Eruption mit Satelliten und modernen Sensoren im Detail aufgezeichnet. Die heutigen Möglichkeiten der Fernerkundung seien faszinierend, sagt Sigl. Dadurch wird heute jedes Naturereignis auch zu einem Medienereignis. Wir sind quasi live dabei, wenn am anderen Ende der Welt ein Vulkan detoniert und sich eine monströse Aschewolke in den Himmel erhebt. Den Ausbruch des Tambora hingegen, der 1815 eine heute zu Indonesien gehörende Insel erschütterte und noch einmal eine Größenordnung heftiger war als der des Pinatubo 1991, bemerkte man in Europa und Nordamerika erst, als dort ein ganzer Sommer ausfiel und Ernten ausblieben. Das ist ein weiterer Grund, warum der Ausbruch im Tonga-Archipel für Forscher wie Michael Sigl so interessant ist: Als Paläoklimatologe jagt er Spuren längst verrauchter Vulkanausbrüche hinterher. In mühevoller Kleinarbeit sucht er in Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis nach Hinterlassenschaften der Eruptionen – und schätzt ihren Einfluss auf das Weltklima ab. Jetzt konnte er einer Eruption und ihren Auswirkungen fast in Echtzeit zusehen.

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