VW und BMW betroffen : Ukraine-Krieg legt Autoproduktion in Deutschland lahm
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Ein Mitarbeiter in der Produktion an einem Fahrzeug im VW-Werk in Wolfsburg Bild: dpa
Sowohl BMW als auch Volkswagen kündigen Produktionsstillstände an. Grund ist der Mangel an Bordnetzen. Auch im Wolfsburger VW-Stammwerk soll die Fertigung ruhen.
Kaum hatte vorige Woche der Krieg in der Ukraine begonnen, da schloss der Autozulieferer Leoni vorsorglich seine beiden Werke in den Städten Stryji und Kolomyja. Bis vor einer Woche haben in den west-ukrainischen Leoni-Fabriken rund 7000 Mitarbeiter Bordnetzsysteme für Autos hergestellt. Ebenso wie andere internationale Zulieferer mit Standorten in der Ukraine, darunter Nexans, Yazaki, Sumitomo, Aptiv, oder Kromberg & Schubert. Den Autoherstellern fehlen jetzt sehr kundenspezifische Teile, die sie nicht aus Lagerbeständen oder anderen Fabriken ersetzen können. Denn die Zulieferer sind Anbieter von Produkten für das Energie- und Datenmanagement in der Autoindustrie – und sie liefern genau im Moment des Bedarfs, „just-in-time“. Vor allem Volkswagen und BMW trifft der Produktionsausfall besonders hart. Schon in wenigen Tagen werden gravierende Engpässe erwartet.
„Der Konflikt in der Ukraine hat weitreichende Auswirkungen auf die Produktion der dortigen Zulieferindustrie. Die daraus resultierenden Produktionsausfälle führen in mehreren BMW-Werken ab Mitte der Woche sukzessive zu Produktionsanpassungen und -unterbrechungen“, sagte ein Konzernsprecher der F.A.Z. So ruht in der kommenden Woche die Fahrzeugproduktion in München und in Dingolfing sowie die Motorenfertigung in Steyr. Auch in Oxford, wo der Mini produziert wird, stehen die Bänder still. Damit nicht genug: Anpassungen der Produktionsschichten werden nach den Worten des Sprechers auch in den Werken Leipzig und Regensburg erforderlich sein. Damit ist fast die gesamte europäische Produktion des weiß-blauen Autoherstellers betroffen.
BMW hat einen Krisenstab eingerichtet. „Die zuständigen Fachstellen sind mit den Lieferanten in intensiven Gesprächen, um die Versorgung über alternative Produktionsstandorte zu sichern und die Fertigung schnellstmöglich wieder anlaufen zu lassen“, sagte der Unternehmenssprecher.
Engpässe weiten sich aus
Zuerst hatte der VW-Konzern auf die Versorgungslücke aus der Ukraine reagiert und Kurzarbeit in seinen Werken in Dresden und Zwickau angeordnet. Jetzt weitet sich der Engpass auf die großen Fahrzeugwerke von VW in Westdeutschland aus. Wie aus einem Schreiben an die Belegschaft hervorgeht, wird das Wolfsburger Stammwerk von der kommenden Woche an nur noch eingeschränkt produzieren. In der übernächsten Woche, dürfte die Fertigung komplett ruhen. Auch für die Nutzfahrzeugfabrik in Hannover rechnet VW von der kommenden Woche an mit Produktionsstillständen. Der Standort Emden dürfte ebenfalls betroffen sein, allerdings steht die Planung dort noch nicht fest. „Unsere Taskforce arbeitet weiterhin bereichs- und markenübergreifend an Lösungen“, heißt es in dem Schreiben, dass der F.A.Z. vorliegt.
Wie im Fall der fehlenden Halbleiter muss nun auch noch der Bordnetz-Engpass bewältigt werden. Und das ist noch einmal deutlich komplexer. Denn die Autos von heute mit all ihren Fahrerassistenzsystemen benötigen intelligentere Bordnetze denn je. Es sind unzählige Kabel nötig, die zu einem rund 60 Kilogramm schweren Strang zusammengewickelt und im Auto verlegt werden. Vier bis fünf Meter Kabelbäume sind in einem Auto verbaut. Jedes Teil, überwiegend manuell gefertigt, ist ein Unikat und gehört zu den teuersten Komponenten im Fahrzeug.
Auch bei Leoni verfolgt nun eine eigene Taskforce den Verlauf des Krieges sowie die weiteren Auswirkungen auf die beiden Standorte. Erst wenn es die politische Lage zulässt, soll die Produktion wieder aufgenommen, teilte das Unternehmen mit. Der Schutz der Beschäftigten hat Vorrang.
Fast 100 000 Mitarbeiter arbeiten für Leoni in 30 Ländern. Der hoch verschuldete Kabel- und Bordnetzspezialist, an dem die österreichische Industrieholding Pierer beteiligt ist, steckt mitten in der Sanierung. Aus seinen Fabriken liefert das Unternehmen die Bordnetze an Volkswagen, BMW & Co., täglich transportieren Lastwagen die schweren Kabelbäume über die Grenzen. Es ist ein Prozess, der sich nicht ohne weiteres substituieren lässt. Um etwa die jetzt fehlenden Kapazitäten aus der Ukraine an einem Standort in einem anderen Land aufzubauen, sind mindestens drei, eher sechs Monate nötig, heißt es in der Branche.