Bericht zur 737 Max : Kongress wirft Boeing „Kultur der Verschleierung“ vor
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Luftbild eines wirtschaftlichen Desasters: 737-Max-Flugzeuge von American Airlines stehen geparkt auf dem Flughafen von Tulsa in Oklahoma, weil sie nicht mehr fliegen dürfen. Bild: Reuters
Es ist ein vernichtender Bericht des amerikanischen Kongresses: Boeing habe bei der 737 Max Mängel ignoriert, während die Aufsichtsbehörde eher auf das Unternehmen als auf ihre eigenen Experten hörte.
„Boeing hat im Design und der Entwicklung der Max versagt, und die FAA hat in der Aufsicht von Boeing und der Zertifizierung des Flugzeugs versagt“: Dies ist das vernichtende Fazit von Abgeordneten des amerikanischen Kongresses in ihrem Abschlussbericht rund um Boeings Flugzeugtyp 737 Max, der nach zwei Abstürzen aus dem Verkehr gezogen wurde.
Die Unglücke seien das „grauenvolle Ergebnis“ einer Serie von Fehlern auf Boeings Seite sowie „grob unzureichender Aufsicht“ der Aufsichtsbehörde FAA gewesen. Der fast 250 Seiten lange Bericht ist das Produkt einer 18 Monate währenden Untersuchung eines Ausschusses im Abgeordnetenhaus. Für sie wurden Vertreter von Boeing und der FAA angehört. Im Kern bestätigt er frühere Erkenntnisse, liefert aber zudem einige neue Details – etwa darüber, wie Boeing-Mitarbeiter schon früh vor möglichen Sicherheitsrisiken der Maschine warnten.
Für die 737 Max gilt seit März vergangenen Jahren ein Flugverbot. Aufsichtsbehörden in aller Welt haben es verhängt, nachdem eine von Ethiopian Airlines betriebene Maschine des Typs abgestürzt war. Weniger als sechs Monate zuvor war schon eine 737 Max in Indonesien verunglückt, bei den Abstürzen starben insgesamt 346 Menschen.
Behörde ignorierte Bedenken auf Druck von Boeing
In beiden Fällen soll eine speziell für die 737 Max entwickelte Automatik mit dem Namen „MCAS“ eine Rolle gespielt haben. Diese Software war dazu gedacht, das Flugzeug zu stabilisieren, brachte aber offenbar die Piloten in eine Situation, in der sie die Kontrolle über die Maschinen verloren. Boeing hat an einer Nachbesserung des Systems gearbeitet, die aber bis heute nicht von den Behörden genehmigt ist. Obwohl sich der Prozess viel länger hingezogen als erwartet, wird aber damit gerechnet, dass das Flugverbot in den kommenden Monaten aufgehoben wird.
In dem jetzt vorgelegten Bericht heißt es, es habe „viele verpasste Gelegenheiten“ gegeben, die 737 Max sicherer zu machen. Zudem werden Zweifel angemeldet, dass Boeing etwaige Schwachstellen ausgemerzt hat. Die Untersuchungen legten den Schluss nahe, dass es in Boeings Kultur „ernsthafte Notwendigkeit für einen Sicherheitsneustart“ gebe. Boeing habe sich bei der Entwicklung der 737 Max von dem „finanziellem Druck“ leiten lassen, dem erfolgreichen Modell A320 Neo des europäischen Rivalen Airbus etwas entgegenzusetzen.
Es seien gravierende technische Fehler gemacht worden, etwa dass sich das MCAS-System von einem einzelnen Sensor aktivieren ließ. Rund um die 737 Max habe es auch eine „Kultur der Verschleierung“ gegeben. Boeing habe der FAA, seinen Kunden und seinen Piloten wichtige Informationen vorenthalten – letztere seien nicht einmal über die Existenz der MCAS-Automatik informiert worden.
Der Flugzeughersteller nehme außerdem zu viel Einfluss auf die FAA. Es gebe viele Fälle, in denen die Führung der Behörde auf Betreiben von Boeing Sicherheitsbedenken ihres eigenen technischen Personals missachtet habe. Unter dem Strich ergibt sich für die Autoren des Berichts ein „verstörendes Muster“.
Nur Demokraten stehen hinter dem Bericht
Der Bericht wurde ausschließlich von Abgeordneten der Demokratischen Partei vorgelegt, Vertreter der Republikaner haben ihn nicht unterzeichnet und beschrieben ihn als parteiisch. Der Kongress arbeitet derzeit an Gesetzentwürfen zur Reform der Flugaufsicht. Boeing wies in einer Stellungnahme darauf hin, mit den Politikern kooperiert zu haben. Das Unternehmen habe schon hart daran gearbeitet, seine „Sicherheitskultur“ zu stärken, und es habe viele Empfehlungen umgesetzt.
Die Vorgänge um die 737 Max haben Boeing in die schwerste Krise seiner Geschichte gestürzt. Sie haben das Unternehmen schon rund 20 Milliarden Dollar gekostet, unter anderem für Entschädigungen von Fluggesellschaften. Boeing sah sich auch gezwungen, seinen Vorstandsvorsitzenden auszuwechseln.