Zum Tod von Paula Rego : Mit dem Schwert in der Hand hinaus in die Welt
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Paula Rego , aufgenommen 2002 in ihrem Atelier Bild: Bridgeman
Spät gefeierte Kämpferin unter den Künstlerinnen der Gegenwart: Zum Tod der britischen Portugiesin und Frauenrechtlerin Paula Rego.
Ein Blick auf ihr künstlerisches Werk ist ein Blick in die Untiefen weiblicher Erfahrung, in Sehnsucht, Schmerz und Erniedrigung, ein erbarmungsloser Blick der Gegensätze, von der Mutterschaft zur Abtreibung, von der Erotik zur Gewalt, ein Blick, der nicht nach Schönheit sucht: Paula Rego verstand sich immer als Kämpferin unter den Künstlerinnen der Gegenwart. Wer heute ein Kunststudium in Lissabon aufnimmt, beginnt seine Skizzen mit Arbeiten nach Rego, ihre Frauenporträts blicken als Graffiti mahnend von den Häuserwänden der Stadt.
Geboren wurde Rego 1935 in Lissabon, zwei Jahre nach Beginn des Estado Novo, der Diktatur Salazars. Portugal war damals ein bitterarmes Land. Die wohlhabenden, regimekritischen Eltern erahnten das Schicksal, das die kreative Tochter unter der autoritären Regierung, in der Frauen die Rolle von Mägden zuteil wurde, erwartete, und schickten sie mit siebzehn Jahren nach England. Dort schloss Rego in Kent die Schule ab und studierte anschließend Kunst an der Slade School of Fine Art in London.
Aber der Übergang von der einen Welt in die andere war nicht leicht, die Nachrichten aus der Heimat blieben verstörend. Immer wieder holten Rego Depressionen ein, und immer mehr wendete sie sich der Psychoanalyse, den Tiefen der menschlichen Seele zu. Sie studierte die alten Meister, ließ sich von Goya und Velázquez inspirieren und das Märchenhafte, die Traumwelt in ihre Arbeit hinein. Mischwesen aus Tier und Mensch, Affen, Bären, Hunde wurden zu wiederkehrenden Charakteren ihres Werks. Wer ihre Zeichnungen, ihre künstlerischen Anfänge kennt, weiß auch um die feine Ironie, den Spott, der ihr die Kraft gab.
In ihrem Künstlerkreis in London war sie die schweigsame Fremde. Sie lernte den britischen Maler Victor Willing kennen, ihren späteren Ehemann, einen Bekannten Francis Bacons. Und entschied sich zurückzukehren. 1966 ging der Estado Novo schon auf sein Ende zu, Portugal war ausgelaugt, Salazar ein alter Mann, in der Luft hing der Geruch von Revolution. Rego begann in großen Formaten und farbintensiven Collagen die Lage im Land zu verarbeiten, das Elend, die Konsequenz der faschistischen Herrschaft.
1972 ging Rego endgültig nach London. Erst mit ihrer Nominierung für den Turner-Preis in der Zeit um den Tod ihres Ehemanns Ende der achtziger Jahre begann ihr Ruhm mit Ausstellungen in Lissabon, Porto, London – und mit ihm ihr immer intensiver geführter Einsatz für Frauenrechte. 1990 wurde sie die erste Künstlerin im Residenzprogramm der National Gallery. In ihren „Dog Women Series“ malte sie Frauen, die sich unterwürfig wie Hunde verhalten. Vor einem Referendum in Portugal setzte sie sich rigoros für liberalere Abtreibungsgesetze ein.
Ihre Frauenkörper blieben das zentrale Motiv ihrer Arbeit, ihre physische Kraft faszinierend. „Angel“ von 1998, eine Frau in ausladendem Rock, hält in der Rechten ein Schwert, in der Linken einen Schwamm, ihr Blick herausfordernd, lasziv. „Die Arbeit selbst ist erotisch“, sagte Rego in einem Interview, das in der 2017 erschienenen Dokumentation „Paula Rego, Secrets and Stories“ ihres Sohnes, des Filmemachers Nick Willing, zitiert wird: „Malen ist eine erotische Aktivität.“
Dass die internationale Anerkennung sie so spät erreichte, ist schade, aber ein Schicksal, das sie mit vielen ihrer Mitstreiterinnen geteilt hat. Ihre letzten Jahre waren ergiebig. 2009 eröffnete ein Rego-Museum in Cascais nahe Lissabon. Auf der diesjährigen Biennale in Venedig ist sie im zentralen Pavillon zu sehen, im spanischen Málaga und in der Tate Britain gab es Retrospektiven, weitere Einzelausstellungen sind in Planung. Am Mittwoch ist Paula Rego im Alter von 87 Jahren gestorben.