25 Jahre Haft für Familienvater : Vierfacher Ehrenmord bewegt Kanada
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Familienpatriarch Mohammed Shafia wird nach der Urteilsverkündung abgeführt. Bild: dapd
„Abscheulich, hinterhältig und ehrlos“ nannte der Richter die Taten Mohammed Shafias, der seine drei Töchter und ihre Stiefmutter 2009 ermordete und anschließend einen Unfall vortäuschte.
Die zwölf Geschworenen – sieben Frauen und fünf Männer – kamen nach nur kurzen Beratungen einstimmig zu ihrem Befund: vierfacher Mord. Richter Robert Maranger in Kingston in der kanadischen Ostprovinz Ontario verhängte nicht nur die fällige Strafe – 25 Jahre Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung. Er ließ die Verurteilten und alle Welt auch seine Ansicht über die Morde wissen, die Kanada wie kaum eine andere Tat der vergangenen Jahre erschüttert und bewegt hat: Das Verbrechen sei „abscheulich, hinterhältig und ehrlos“ gewesen.
Am 30. Juni 2009 wurden die Leichen der damals 13, 17 und 19 alten Schwestern Geeti, Sahar und Zainab Shafia sowie ihrer 50 Jahre alten Stiefmutter Rona Amir Mohammed in einem Nissan gefunden, der in den Rideau-Kanal bei Kingston gestürzt war. Vater Mohammed Shafia, dessen zweite Ehefrau Yahya, die Mutter der ertrunkenen Mädchen, sowie der damals 18 Jahre Bruder Hamed hielten ihre Tränen nicht zurück. Die aus Afghanistan stammende Einwanderer-Familie war auf dem Rückweg von einem Ausflug zu den Niagara-Fällen in ihre neue Heimatstadt Montreal in Québec, wollte die Nacht in einem Hotel in Kingston verbringen. Die Töchter und ihre Stiefmutter hatten sich spätabends nochmals zu einer Spritztour mit dem Nissan aufgemacht, von der sie nie zurückgekommen seien. So stellte es der Familienpatriarch Mohammed Shafia dar, der 2007 gemeinsam mit seiner Familie mit einem Einwanderervisum für Wohlhabende nach Québec gekommen war.
Da die vier Opfer nach Ansicht der Forensiker aber möglicherweise schon tot waren, ehe sie mit dem Auto ins Wasser stürzten, schöpfte die Polizei Verdacht. In den Van der Familie wurden Abhörwanzen plaziert, und die Abhörprotokolle der wüsten Ausbrüche des doch eigentlich trauernden Vaters über seine toten Töchter ergaben ein anderes Bild – das eines kaltblütigen „Ehrenmordes“. Shafia beschimpfte seine Töchter Geeti, Sahar und Zainab als Huren, die seine Ehre und die der Familie schwer beschädigt hätten. Auf einem Computer der Familie hatte jemand im Internet danach gesucht, wie man jemanden töten kann, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Den gebrauchten Nissan hatte der Vater zwei Tage vor dem Familienausflug an die Niagara-Fälle gekauft, denn der luxuriöse Van der Familie und ein Lexus-Jeep waren ihm offenbar zu schade für den Mord.
Wie sich im Verfahren herausstellte, hatten die wegen ihres „westlichen“ Lebenswandels und ihrer „unsittlichen“ Kleidung vom Vater misshandelten und vom Bruder überwachten Töchter mehrfach Hilfe bei Lehrern gesucht, gar um Unterbringung bei einer Pflegefamilie ersucht. Doch die Behörden unternahmen nichts. In kanadischen Medien ist davon die Rede, die Behörden hätten die regierungsamtliche Illusion vom Multikulturalismus und vom Verständnis für fremde Lebensformen aufrechterhalten wollen, statt die Menschenrechte und das Leben der Mädchen zu schützen. Die Stiefmutter der Mädchen, die keine Kinder gebären konnte und in ihrem Tagebuch ihr Leiden und das der Kinder beschrieben hatte, wurde von ihrem Mann und dessen zweiter Ehefrau wie eine Dienerin gehalten.