Die Geschichte einer schwierigen Beziehung
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Petrischalen in denen sich verschiedene Keime und Erreger entwickelt haben. Durch eine Lupe werden Escherichia Coli Bakterien als gelbe Flecken sichtbar. Bild: dapd
Ein Feind und Helfer: Mikroben waren dem Menschen zunächst gefährlicher Gegner – dann nützlicher Begleiter. Wird Sars-CoV-2 unseren Blick auf die Mikroorganismen nun abermals verändern?
Schutzmasken, Desinfektionsmittel, Krieg – das Verhältnis zwischen Menschen und Mikroben ist gegenwärtig so stark von Strategien der Abgrenzung und Reinhaltung geprägt wie lange nicht mehr. Denn in den letzten Jahrzehnten hatten sich die mit fließend Wasser und Antibiotika gesegneten Industriegesellschaften schon daran gewöhnt, dass Kleinstlebewesen zum menschlichen Dasein dazugehören. Asepsis und Sauberkeit traten auseinander, und die vielen probiotischen Kosmetika oder Nahrungsmittel zeugen davon, dass Gesundheit mit einer „natürlichen“ Mikroflora zusammengedacht wurde. Nun ist klar, dass möglicherweise förderliche Milchsäurebakterien von pathogenen Keimen oder Viren zu unterscheiden sind, aber selbst Letzteren wurde im Zeitalter der Genomik Respekt gezollt: Es wurde offensichtlich, dass sie sich durch Prozesse des Genaustauschs vielfach in die DNA menschlicher Zellen eingeschrieben hatten und nach Ansicht mancher Forscher sogar produktiv an der Entstehung komplexer Lebensformen beteiligt waren. Der Mensch also eine bakterielle Kolonie? Viren als Helfer der Evolution?
Das Verhältnis von Mensch und Mikroben nahm in der Geschichte der modernen Bakteriologie einen denkbar anderen Ausgangspunkt. Da waren zunächst die „Mikrobenjäger“ um Louis Pasteur und Robert Koch, die mit ihrer von Metaphern der Abgrenzung und Invasion geprägten Sprache in den Zeiten von Nationalismus und Kolonialismus eine medizinische Wissenschaft prägten, der es darum ging, Erreger einer Krankheit durch Isolation, Reinkultur und mikroskopische Analyse dingfest zu machen und möglichst zu eliminieren. Dies geschah präventiv durch Pasteurisieren oder Desinfizieren oder im menschlichen Körper mittels „Zauberkugeln“ wie Paul Ehrlichs Syphilis-Heilmittel Salvarsan. Durch Erfahrungen in Krankenhaus und Labor verkomplizierte sich dieses simple Freund-Feind-Schema rasch: Asymptomatische Nachweise von Bakterien verwiesen beispielsweise auf deren physiologische Variabilität und legten nahe, dass Pathogenität mehr als Invasion bedeutete.
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