„Großflächiges Waldsterben“ : Riedwald versteppt für Frankfurter Wasser
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Alleinstellung: Im Hessischen Ried leidet der Wald unter einem zu niedrigen Grundwasserspiegel. Bild: Michael Kretzer
Bäume stehen wie Zahnstocher in einer Steppe. Im Riedwald zeigen sich gravierende Umweltschäden als Folge von Wassermangel. „Das Regierungspräsidium ist untätig“, sagen Naturschützer.
Aus der Steppe ragen einzelne Bäume wie Zahnstocher empor, die Kronen wachsen nicht mehr, stattdessen treiben an den Stämmen Zweige und Knospen aus, was die Forstleute als Zeichen für Wassermangel deuten. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hat in das Areal namens Triesch auf Weiterstädter Gebiet geladen, um dort beispielhaft Umweltschäden zu zeigen. Der Wald im Hessischen Ried zwischen Büttelborn und Viernheim diene seit Jahrzehnten als „Wasserfabrik für Frankfurt, Wiesbaden und den Taunus“ klagte der Landesverbandsvorsitzende, Bernhard Klug. „Seit mehr als vier Jahrzehnten wird im Ried Trink-, Brauch- und Beregnungswasser weit über der natürlichen Neubildungsrate gefördert.“ Dadurch wird Klug zufolge der Grundwasserspiegel gesenkt, und die Wälder sterben großflächig ab.
Die Schutzgemeinschaft äußerte heftige Kritik am Regierungspräsidium Darmstadt, das untätig sei. Die Belange des Waldes würden bei allen wasserrechtlichen Entscheidungen nicht hinreichend berücksichtigt, auch der Naturschutz werde fortwährend missachtet. Zwar kenne das Regierungspräsidium die Fakten, doch immer wieder erlasse es Bescheide, die in der Auswirkung die Ressourcen plünderten. Deshalb verkümmerten Wald und Natur im Ried. Der „kaputte Wald“, den Klug und sein Stellvertreter, der frühere Darmstädter Forstamtsleiter Arnulf Rosenstock, zeigten, ist ein Gelände, das Hessen-Forst und somit dem Land gehört. Es sei gesetzeswidrig, wenn das Regierungspräsidium nicht durchgreife und Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht vornehmen lasse.
Eklatanten Verstoß gegen Wasserhaushaltsgesetz
Die Behörde teilte auf Anfrage mit, sie habe das mehrseitige Papier der Schutzgemeinschaft am Vortag erhalten, wolle sich mit der komplizierten Materie jetzt befassen und dann dem Verband eine Antwort zukommen lassen. Eine Bewertung wollte die Behörde nicht abgeben. Der Landesverband hatte Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Die Grünen) den „größten und gravierendsten Umweltschaden, den es vermutlich je in Hessen gab“, angezeigt und sie zum Handeln aufgefordert.
Der Schutzverband sieht in den „gigantischen Fördermengen“ einen eklatanten Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz und gegen das Naturschutzrecht. Eine Eingriffsgenehmigung sei dafür offenbar nicht nötig, auch wenn die Ökosysteme auf mehreren tausend Hektar beeinträchtigt würden, äußerte Klug. Rosenstock beklagte, dass das Ried ohne Rücksicht auf andere Schutzgüter zum großen Wasserlieferanten gemacht werde. Jahrzehntelang sei mehr gefördert worden, als das Land genehmigt habe.
Fast die halbe Fläche des Riedwalds geschädigt
An das Regierungspräsidium richteten Klug und Rosenstock den Vorwurf, es habe die immer offensichtlicher werdenden Schäden nicht gestoppt, es habe sie auch nicht in einem neuen Grundwasserbewirtschaftungsplan Natur und Wald berücksichtigt. In einem Abschlussbericht habe ein vom Umweltministerium eingerichteter runder Tisch im April 2015 festgestellt, dass der Wertverlust aller Waldbestände, alle Kosten für die nötigen Sanierungen und für die empfohlene Wiederaufspiegelung des Grundwassers einen Gesamtschaden in Höhe von rund 180 Millionen Euro ergäben. Die Naturschützer sind vor allem darüber empört, dass die Verursacher nicht zum Ausgleich herangezogen würden. Klug und Rosenstock nannten dabei Hessenwasser und seine Untergruppierungen, meist kommunale Wasserwerke, beim Namen.
Nach einer Kartierung umfasst der Schaden im Ried eine Fläche von 13.679 Hektar, was 41 Prozent der Gesamtwaldfläche ausmache. Davon seien 10.600 Hektar von der Absenkung des Grundwassers beeinflusst. Besonders betroffen seien sogar europäische Natura-2000-Schutzgebiete. In diesen, mit Veränderungsverboten belegten Gebieten sind laut Schutzverband mehr als 10.000 Hektar durch die Grundwasserförderung geschädigt.
Rosenstock weist außerdem darauf hin, dass auf den versteppten Flächen Samen schlechte Chance zum Keimen hätten, weil sie meist auf Gras fielen. Wenn neue Bäume angepflanzt würden, seien es meist trockenheitsresistente, aber ortsfremde Kiefern oder Douglasien.