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Streit im PEN : Der Antrag

  • -Aktualisiert am

Antragsverwirrung auf der PEN-Tagung in Gotha mit Deniz Yücel in der Mitte. Bild: dpa

Wie man einen Präsidenten abwählt? Ganz gewiss nicht so, wie es der PEN bei seiner Tagung in Gotha angegangen ist. Ein Zwischenbericht, Dokumentation einer Groteske.

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          Die Seele des Vereins sei der Knatsch? Dieses Tucholsky-Zitat bemühte Deniz Yücel noch einmal, um den gegenwärtigen Zustand des deutschen PEN zu beschreiben, aber als amtierender Präsident dieser Schriftstellervereinigung (die Abkürzung steht für „Poets, Essayists, Novelists“) sah er sich schnell eines Besseren belehrt: Die Seele des Vereinslebens ist die Bürokratie. Die Tagung in Gotha, auf der nach Kritik an Yücels Forderung einer Flugverbotszone sowie an seinem Führungsstil über seine Abberufung entschieden werden soll, wirkte am Freitagmorgen wie eine Neuinterpretation von Reinhard Meys Bürokraten-Farce vom „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“, teils fast wörtlich. Zunächst war unklar, ob die hybrid abgehaltene Versammlung mit Stimm-Möglichkeit auch für digital zugeschaltete Mitglieder überhaupt beschlussfähig sei, da einige, die keine Mailadresse besäßen, keinen Code dafür erhalten hätten.

          Jan Wiele
          Redakteur im Feuilleton.

          Die in Gotha Anwesenden stimmten mit ausgeteilten Tablets ab, trotz Protesten, mit der Hand sei es doch auch immer gegangen. Aber worüber stimmten sie ab? Über den Antrag zur Abberufung Yücels, den einige unterschrieben hatten, erbittert über dessen „Herrscherallüren“ und eine „systemische Störung des Anstands und der Würde“, oder über den Gegen­antrag anderer, die ihm und seinem Präsidium das Vertrauen aussprechen? Nein, so schnell ging das nicht: Zunächst musste über die Tagungs­leitung abgestimmt werden, dann die Tagungsordnung verabschiedet. Ge­gen Mittag bat Johano Strasser, Amtsvorgänger Yücels, alle vorliegenden Anträge zurückzuziehen, erst mal ehrlich zu diskutieren. Rückfrage der Tagungsleitung: „Okay, wir haben einen Antrag auf Nichtbefassung mit diesen Anträgen?“ Strassers Antrag wurde dann per Abstimmung abgelehnt.

          Danach folgten Abstimmungen zur Reihenfolge der also doch zu berücksichtigenden Anträge, dann das Mittagessen. Aber ist das alles lustig? Nein, traurig, denn die teils tumulthafte Stimmung mit ständigen Zwischen- und Ordnungsrufen, der Rückzug in Bürokratie offenbarte tiefe Kränkungen einer zerrissenen Gemeinschaft. Was in Gotha bis zu diesem Punkt zumindest klar wurde: Es gibt, neben einem Streit über moderne Verwaltung eines Vereins, der für die Freiheit des Wortes in aller Welt kämpft und dem Jüngere vorwerfen, er sei ein Museum seiner selbst (tatsächlich hörte man den verzweifelten Ruf „Ich will meinen alten PEN zurück“), derzeit viel verlorenes Vertrauen, einen erbitterten Streit über Respekt und Umgangsformen, der sich allerdings auch in unflätigen Rufen der Yücel-Gegner ausdrückte, sowie manche juristisch zu klärende Frage. Etwa die, ob das Präsidium, dem Altersdiskriminierung vorgeworfen wird, sich auch des Mobbings schuldig gemacht hat. Die entscheidende Frage, wie es mit dem Präsidium des deutschen PEN weitergeht, war am Freitagnachmittag noch ungeklärt.

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