Aktienanalyst Harald Schnitzer : Wie wird 2016?
- -Aktualisiert am
Mit der Lizenz zum Blick in die Zukunft: Harald Schnitzer Bild: Esra Klein
Alle wollen wissen, wie es wird, das neue Jahr. Vor allem nach den Turbulenzen des zu Ende gehenden Jahres. Der Aktienanalyst Harald Schnitzer wagt einen Blick in die Zukunft.
Harald Schnitzer ist jemand, der von Berufs wegen in die Zukunft gucken muss. Das macht ihn interessant, jetzt zum Jahreswechsel, weil ja alle Welt wissen will, wie 2016 denn nun wird, nach all den Turbulenzen im zu Ende gehenden Jahr. Harald Schnitzer arbeitet bei der DZ Bank am Platz der Republik in Frankfurt und ist dort Aktienanalyst. Er beschäftigt sich das ganze Jahr über mit elf Unternehmen, die an der Börse notiert sind, und schreibt Studien über ihre geschäftlichen Aussichten. Zum Beispiel über die Software AG in Darmstadt. Er wägt die Lage des Unternehmens ab, er betrachtet dessen Gewinnmarge, seine mittelfristigen Finanzplanung und seine Investitionsentscheidungen, er analysiert so und analysiert so, und am Ende kommt er zu einem Urteil. In diesem Fall: Anleger sollen die Aktie halten.

Stellvertretender Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und verantwortlicher Redakteur des Wirtschaftsmagazins Metropol.
Das liest sich jetzt nicht wie eine besonders übermütige Zukunftsprognose. Aber es ist eine. Harald Schnitzer schaut also tatsächlich in die Zukunft. Er sagt vorher, was aus Wertpapieren wird. Wie er da so vor einem sitzt, hat er aber gar nichts von einem Wahrsager. Und tatsächlich sieht er das, was er macht, eher als ein Handwerk. „In die Zukunft gucken kann man ein Stück weit, indem man sich persönlich informiert“, sagt er. Regelmäßige Gespräche mit den Vorständen der Aktiengesellschaften, die ihm anvertraut sind. Überprüfung dessen, was ihm die Führungskräfte berichten, bei anderen Vertretern der Branche, dem Großhandel etwa. Und, da Schnitzer auf Technologieunternehmen spezialisiert ist, manchmal auch ein Besuch im heimischen Kinderzimmer. Welche Technologie erlebt dort gerade einen Aufschwung, welche fällt beim eigenen Nachwuchs durch? Neugierig sein, nicht zu gutgläubig, so lautet das Rezept des Analysten für den weiten Blick nach vorne.
„Was ich gelernt habe, ist eine gewisse Demut vor dem Markt.“
13 Seiten füllt die jüngste Analyse Schnitzers über die Software AG. Die Seiten sind voller Zahlen und Abkürzungen und überhaupt nichts für flüchtige Leser. „Wesentliche Bausteine von DBP sind die Produktfamilien webMethods und ARIS (Produkte und Integrationssoftware) sowie Produkte von Terracotta.“ Wer bei solchen Sätzen aussteigt, sollte nicht mit Schnitzer auf eine Reise in die Zukunft gehen. Doch diejenigen, für die er schreibt, überfordert das nicht. Schnitzer analysiert nicht für Kleinanleger, sondern für diejenigen, die Aktien eher en gros als en détail handeln, die institutionellen Investoren also. Fondsgesellschaften wie Union Investment oder auch Pensionsfonds. Dort versteht man seine Analysen zu lesen und richtet sich danach.
Und tut offenbar auch gut daran. Denn das ist ja die Frage aller Fragen: Treffen denn Schnitzers Prognosen zu? Da muss man sich nun auf sein eigenes Urteil verlassen, aber das fällt gut aus: „Zum weit überwiegenden Teil sind die Kurse in die Richtung gelaufen wie prognostiziert“, sagt er knapp. Und fügt dann doch mit Blick auf die ganz heißen Jahre an der Börse hinzu: „Was ich gelernt habe, ist eine gewisse Demut vor dem Markt.“
Die Regulierung treibt seltsame Blüten
Die DZ Bank hat ungefähr zwei Dutzend Analysten, von denen die meisten jeweils ein Bündel Aktiengesellschaften beobachten; eine kleinere Gruppe hat den Markt an sich im Blick. Schnitzer macht seinen Job seit 1988. Vorsichtshalber sichert sich die Bank bei seinen Prognosen wie denen seiner Kollegen ab. Mehr als zwei Seiten der Studien füllt das Kleingedruckte. Bloß nicht solle man nach dem Lesen die entsprechende Aktie kaufen, ist dort etwa zu lesen, sondern eine Entscheidung darüber viel breiter aufstellen. Natürlich, es soll niemand mit solchen Analysen in der Hand zur DZ Bank kommen, wenn er die Aktien gekauft und damit Geld verloren hat. Andererseits: Genau deshalb verfasst der Analyst doch solche Studien – als Anlagehilfe eben. Die Regulierung treibt schon seltsame Blüten.
Die ganzen Vorschriften mögen aber dazu führen, dass Schnitzer überaus vorsichtig urteilt. Von einem der vielen „Börsenexperten“, die einst zur Hochzeit des Neuen Marktes ständig „kaufen, kaufen“ schrien, hat er so wenig wie von einem Wahrsager. Nur auf Nachfrage ist er bereit, wenigstens ein paar Unternehmen aus seinem Beobachtungshorizont zu nennen, denen er mehr zutraut als nur eine Seitwärtsentwicklung des Kurses. Die Kurse von Dialog Semiconductor und Pfeiffer Vacuum seien sicherlich noch am weitesten von ihrem fairen Wert entfernt, sagt Schnitzer. Das ist dann wohl ein Hinweis, ein Investment in diese Papiere könnte sich lohnen. Aber natürlich keine Kaufempfehlung.
So leicht kommt Harald Schnitzer dann aber doch nicht davon. Frage: Wo wird denn der Dax Ende 2016 stehen? Der Analyst hält sich an die Prognose seines Arbeitgebers: bei 11.000 Punkten. Das ist ja mal ein Wort. Wiedervorlage in zwölf Monaten.