Das Bilderbuch „Als die Arche Noah beinah unterging“ : Du lieber Himmel!
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Bild: Oetinger
Als biblische Geschichte gehört sie zu den eindrucksvollsten und lässt doch viele Fragen unbeantwortet. Jetzt haben Sally Altschuler und Sven Nordqvist ihre Version der Arche Noah erzählt: ohne Gott.
Kaum eine Geschichte aus dem Alten Testament macht auf Kinder größeren Eindruck als die der Arche Noah: Gott ist der Menschen überdrüssig geworden und will sie vernichten, indem er die Welt unter Wasser setzt. Nur Noah und seine Familie, dazu von jeder Tierart ein Paar will Gott auf einem riesigen Schiff überleben lassen.
In den kindgerechten Nacherzählungen und ihren Illustrationen wird dem Unfassbaren des göttlichen Entschlusses kaum Raum gelassen, der Auftrag und das Abenteuer stehen im Mittelpunkt: Wie sieht es aus, dieses Riesenschiff, das Noah bauen soll? Kommt wirklich jede Tierart mit an Bord? Auch praktische Fragen aus dem Alltag eines Zoos werden in den Kinderbibelversionen gemeinhin übergangen: Wovon ernähren sich die Raubtiere auf dieser Fahrt? Wie werden die Tiere bei Laune, bei Futter und einigermaßen sauber gehalten? Wie vertragen sie sich?
Ein Treiben wie im Kindergarten
In seiner Version der Geschichte von Mann und Maus hat sich der Kinderbuchautor Sally Altschuler mit alledem befasst: Die Bussarde wollen gleich auf dem Schornstein ein Nest bauen und werfen so komische Blicke auf die Spitzmäuse. Dabei müssen doch alle Tiere auf der Arche in Frieden leben, „anders geht es gar nicht“, wie Noah erklärt. Der Specht versucht sich am Schornstein, bis der Schnabel schmerzt, zwei Affen haben es just in dem Moment ganz hinaufgeschafft, in dem Noah den Motor anwirft. Das Nashorn hätte in seiner Ungeduld fast die Kröten zertrampelt, fühlt sich allgemein ungeliebt und will erst gar nicht mit. Als es sich schließlich doch mit einer Karotte an Deck locken lässt, rempelt es herum, dass den Schweinen ganz schlecht wird. Die Spitzmaus fragt, womit ausgerechnet das brummelige Nashorn eine Karotte verdient hat, und das Kamel kaut die Schnecke von Noahs Hirtenstab ab.
Kurz: Das Treiben auf der Arche erinnert an den Alltag im Kindergarten, und hätte Noah nicht einen wetterfesten Kaiserpinguin mit Klemmbrett, Südwester und Pfeife an seiner Seite, der alles im Griff zu haben scheint, bis herauskommt, dass er doch etwas Wichtiges vergessen hat, man könnte den alten Mann durchaus für einen verkrauteten Erzieher halten, der hier schlichtet, dort mahnt und dahinten gut zuredet.
Die Sonne um gutes Wetter bitten
Es ist ein fragiles Gleichgewicht auf der Arche, nicht nur, weil das Nashorn das Schiff immer wieder schwanken lässt. Schließlich wird ausgerechnet dieser unleidlichste aller Passagiere zum unfreiwilligen Helden, als der Specht ein Loch in die Schiffswand gehackt hat. Ein weiteres Mal lässt sich das Nashorn von Noah mit einer Karotte locken und stößt in seiner Gier mit dem Horn ins Spechtloch, unter das der schlaue Noah das Futter gehalten hat. Die erleichterten Tiere können das Nashorn besänftigen, es wird hinter den Ohren gekrault und als lebender Pfropfen bejubelt. Und dann hört der Regen auf.
All das ist mit einem leisen Lächeln erzählt und von Sven Nordqvist ins Bild gesetzt. Wer den Illustrator allerdings mit seiner oft unkonventionellen Bildersprache von „Pettersson und Findus“ kennt, dem fällt auf, wie weit die Bilder zu „Als die Arche Noah beinah unterging“ in ihrer Gliederung und Gestaltung dahinter zurückbleiben. Und noch etwas bleibt auf der Strecke: Gott.
„Du lieber Himmel, was für ein Regen“, ruft Noah schlicht auf der ersten Seite und lädt die Tiere in die Arche ein. Später soll ein Marienkäfer zur Sonne fliegen und sie um gutes Wetter bitten, fliegt aber erst auf und davon, als schon ein Regenbogen vom Ende des Unwetters kündet. Kein Allmächtiger, kein Auserwähltsein, kein Auftrag, kein Todesurteil über alle, die nicht an Bord gekommen sind: Altschuler und Nordqvist haben aus der Arche Noah eine rein diesseitige Geschichte gemacht.