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Regelverstoß an der HU : Das Vertrauen ist gebrochen

  • -Aktualisiert am

Um Schadensbegrenzung bemüht: Humboldt-Universität zu Berlin Bild: dpa

Der Historiker Jörg Baberowski will an der Humboldt-Universität ein „Zentrum für vergleichende Diktaturforschung“ etablieren. Nun sind im noch laufenden Antragsverfahren interne Gutachten veröffentlicht worden.

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          Auf Twitter waren die Wellen schon hochgeschlagen, als die Universität sich um Schadensbegrenzung bemühte. Ein „umstrittener Gewaltforscher“ und „Kritiker der Flüchtlingspolitik“, posaunte die „Tageszeitung“ (taz), habe „heftigen Widerspruch“ ausgelöst und werde nun mit vernichtenden Gutachten seiner Fachkollegen abgestraft. Gemeint ist der Historiker Jörg Baberowski von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), der dort ein interdisziplinäres „Zentrum für vergleichende Diktaturforschung“ etablieren will. Durchgefallen sei dieses Vorhaben bei zwei der vier externen Gutachter, die die Universität für eine Expertise einberufen hatte. Das zumindest behauptet der Autor des „taz“-Artikels, Daniél Kretschmar, der freimütig aus den Gutachten der renommierten Historiker Ulrich Herbert (Freiburg), Thomas Lindenberger (Dresden) und Andreas Rödder (Mainz) zitiert. Herbert stelle „in seinem äußerst skeptischen Gutachten die Prämissen des Instituts infrage“, Lindenberger spreche sich gegen die Gründung des Instituts aus, während Rödder Baberowski beispringe.

          „Diese Denunzianten glauben offenbar, die Verbreitung von Lügen werde als Journalismus wahrgenommen“, twitterte Baberowski, an die Adresse der „taz“ gerichtet. „Ohje, der Mann bildet Menschen unter anderem darin aus, Texte zu interpretieren. Das ist allerdings ein bisschen traurig“, schrieb der Journalist auf Twitter zurück. Es sei obendrein auffällig, gab eine Historikerin namens Catherine Davies in einem Tweet zu bedenken, dass eines der positiven Gutachten von Andreas Rödder stamme, „der auf dem Gebiet der Diktaturforschung nicht i.e.S. ausgewiesen ist“.

          Wie bitte? Die Twittergemeinde, selten auf irgendeinem Gebiet „im engeren Sinne ausgewiesen“, diskutiert in einem laufenden Verfahren den Inhalt vertraulicher wissenschaftlicher Gutachten, den die „taz“ publik gemacht hat? Wie kann so etwas passieren?

          Schwerer Verstoß gegen wissenschaftliche Regeln

          Die Veröffentlichung der Gutachten sei ein schwerer Verstoß gegen die wissenschaftlichen Regeln, teilte Ulrich Herbert auf Nachfrage mit. Er habe deshalb den Vizepräsidenten für Forschung um Überprüfung der entsprechenden Verfahren gebeten. Kretschmars Artikel sei an Kenntnislosigkeit und Absurdität kaum zu übertreffen. Auch die anderen beiden Gutachter sind über die Vorgänge empört. In einem Leserbrief an die „taz“ stellt Lindenberger klar, der auszugsweise Abdruck seines Gutachtens stelle eine Verletzung seiner Autorenrechte dar. Er kritisiert inhaltliche Verkürzungen seiner Expertise; die Reputation von Baberowski habe er nie in Frage gestellt. Andreas Rödder hat unterdessen ein Schreiben an die Universitätspräsidentin Sabine Kunst aufgesetzt, das dieser Zeitung vorliegt. Rödder moniert darin, dass „in Ihrem Haus offenkundig die wissenschaftlichen Mindeststandards der vertraulichen Behandlung wissenschaftlicher Gutachten nicht eingehalten werden“. Er behalte sich weitere Schritte vor.

          Das sei ein Dammbruch, sagte Baberowski im Gespräch. Die Universitätsleitung trete nicht energisch genug auf und vernachlässige in dieser Schmutzkampagne, die gegen ihn geführt werde, ihre Fürsorgepflicht gegenüber Beamten.

          Unklar ist, wo das Leck in dem Verfahren ist. Der Pressesprecher der Universität versichert, die Gutachten seien nicht herausgegeben worden. Die Universität verurteile den „Bruch der grundsätzlichen Vertraulichkeit im Umgang mit entscheidungsrelevanten Unterlagen“. Teile der Gutachten seien über die sozialen Medien veröffentlicht und an die Medien weitergegeben worden. Ein Name fällt in den Erklärungen der Universitätsleitung nicht, doch bezieht sich dieser Vorwurf wohl auf die studentische Vertretung.

          Ansehen der Universität beschädigt

          João Fidalgo, studentischer Vorsitzender für die „Kommission Lehre und Studium“ im Akademischen Senat, hatte schon im Januar Teile der Gutachten, die den Gremienmitgliedern per E-Mail zugeschickt worden seien, auf Twitter gepostet. Sie seien Teil einer öffentlichen Sitzung und dürften somit auch öffentlich diskutiert werden. Der „taz“ habe er die Gutachten aber nicht zugespielt, sagte er auf Nachfrage.

          Vizepräsident Peter Frensch versicherte, der Akademische Senat werde sich damit befassen, wie künftig „ein noch verlässlicherer“ Umgang mit vertraulichen Unterlagen gewährleistet werden könne. Es komme aber vor allem auf die Redlichkeit der Mitarbeiter an, denn gegen gezielte Indiskretionen werde es kein „hundertprozentig verlässliches Mittel geben“.

          Doch in die Pflicht genommen bleibt die HU auch dann, wenn nur ein Mitglied ihres Entscheidungsgremiums vertrauliche Inhalte weitergegeben hat. In der Kritik stehen nicht nur die Studentenvertreter, die mit der Universitätsleitung auf Kriegsfuß stehen und schon seit geraumer Zeit gegen Baberowski agitieren. Beschädigt ist durch diesen ungeheuerlichen Vorgang auch das Ansehen der Universität.

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