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Schummeln in Online-Prüfungen : „Täuschungen haben jetzt eine andere Dimension“

  • -Aktualisiert am

Das Hauptgebäude der Universität zu Köln Bild: dpa

An der Universität zu Köln haben Betrugsversuche den Blick auf die Schwachstellen im System gelenkt. Die Prorektorin für Lehre diskutiert mit einem Studentenvertreter über die Konsequenzen der Online-Prüfungen.

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          Frau Busse, Herr Esman – Sie haben nun beide zwei Online-Semester hinter sich. Wie ist es bisher gelaufen?

          Beatrix Busse: Rückblickend ist es beeindruckend, was Lehrende und Studierende zusammen geschafft haben. Wir konnten alle zumindest in die Lage versetzen, in den virtuellen Lehr- und Lernraum zu gehen. Das ist flächendeckend gut und geräuschlos gelungen – und das ist unglaublich.

          Eugen Esman: Sie sagen viele richtige Dinge. Viele Lehrende haben gezeigt, was digital möglich ist; andere haben aber auch gezeigt, was schiefgehen kann. Sie haben nur so viel Aufwand investiert, dass sie veraltete Formate irgendwie ins Internet übertragen konnten. So hatten manche Fakultäten tiefgehende Schwierigkeiten, sich anzupassen – oder wollten sich schlicht nicht anpassen. „Das machen die Lehrenden der philosophischen Fakultät nicht mit.“ Wie oft wir diesen Satz schon von Vertretern des Dekanats gehört haben.

          Beatrix Busse: Vorsicht, Herr Esman. Als Mitglied der Philosophischen Fakultät weiß ich, dass es grundsätzlich eine sehr große Bereitschaft und immenses Engagement dafür gibt, die bestmögliche Lehre für die Studierenden in diesen schwierigen Zeiten zu ermöglichen. Aber natürlich sind auch Zweifel und Beharrungskräfte da – die einen berechtigt und die anderen durchaus menschlich. Was wir erleben, ist absolut disruptiv. Die Transformation braucht Zeit, aber sie ist unumgänglich, und wir haben bereits einiges geschafft.

          Beatrix Busse, Prorektorin für Lehre und Studium der Universität zu Köln
          Beatrix Busse, Prorektorin für Lehre und Studium der Universität zu Köln : Bild: Universität zu Köln

          Eugen Esman: Dennoch bleibt eine große Gruppe von Personen, die den Wandel noch nicht mitgeht. Wer sich in dieser Notlage nicht überzeugen lässt, wird nach der Normalisierung noch weniger zu motivieren sein. Die, die sich jetzt verweigern, dürfen sich nicht still und heimlich aus der Verantwortung winden und nach der Pandemie wieder zur Normalität der vergangenen 30 Jahre zurückkehren. Nach dem Motto: Wer braucht schon das Digitale? Weg damit!

          Beatrix Busse: Von Normalität will ich überhaupt nichts hören. Natürlich gehen wir wieder in Präsenz, denn eine Uni ohne Austausch und Dialog ist wie Shakespeare ohne Theater. Aber es geht nun um die Weiterentwicklung von Lehren und Lernen. Die Zukunft ist hybrid. Diese Innovation war lange überfällig.

          Eines der analogen Überbleibsel ist die Klausur. Hat die sich im Digitalen bewährt, oder gab es in den vergangenen zwei Semestern zu viele Täuschungsversuche?

          Beatrix Busse: Täuschungen hat es immer gegeben. Aber nun haben sie eine andere Dimension. Bestimmte Formate haben in Kombination mit neuen Kommunikationswegen ihre Schwächen. Wenn dann Klausuren nicht entsprechend gestellt sind, mögen sich einzelne Studierende verführt fühlen. Solche Vorfälle gab es auch an unserer Hochschule. Im Moment wissen wir von Täuschungsversuchen jeweils mehrerer Studenten in sechs Prüfungen. Aber das muss man im Verhältnis sehen: Wir hatten während eines Semesters mehr als 80.000 Einzelprüfungen an 705 Prüfungsterminen und in 1128 Modulen. Die Mehrheit der Studierenden hat sich korrekt verhalten.

          Eugen Esman, Vorsitzender des Asta der Universität zu Köln
          Eugen Esman, Vorsitzender des Asta der Universität zu Köln : Bild: Privat

          Eugen Esman: Sie sagen es, Frau Busse: schlecht gestellte Klausuren. Wir hatten sehr gute Entwicklungen in Seminaren, die gezeigt haben, dass es auch ohne geht. Der Auftrag ist immer, den individuellen Lernstand zu überprüfen. Aber es gab Klausuren, die dieser Aufgabe nicht gerecht wurden.

          Wenn man Lösungen als Copy-Paste aus dem Internet bekommt, frage ich mich, welche Kompetenzen überhaupt abgefragt werden sollen. Letztlich hat sich Studierenden so das Einfallstor eröffnet, dem Leistungsdruck stattzugeben und zu täuschen. Nur deswegen waren einzelne Täuschungsversuche erfolgreich. Hingegen konnte das in gut gestellten Leistungsüberprüfungen nicht gelingen.

          Was ist nun die Konsequenz aus den Betrugsfällen: stärkere Kontrolle und drakonische Strafen?

          Beatrix Busse: Täuschung ist keinKavaliersdelikt, und wenn wir sie nachweisen können, ahnden wir diese und greifen durch. Deswegen sagen wir den Studierenden ganz klar: Lasst es lieber! Die Kontrolle wird bei großen Fächern und großen Gruppen eine Herausforderung sein. Allerdings entwickeln wir diese gerade weiter. Ich persönlich sehe mich nicht als Kontrollinstanz. Ich bin Wissenschaftlerin und Lehrende. Auch wegen der Privatsphäre kommen für mich viele Maßnahmen nicht in Frage. So sind für mich beispielsweise Portfolio-Mappen, Open-Book-Klausuren und andere progressive Prüfungsformate die besseren Alternativen.

          Eugen Esman: Wenn nur alle Ihre Kollegen und Kolleginnen ähnliche Ansätze verfolgen würden. Ich kann das Bedürfnis nach Betrugsschutz nachvollziehen. Aber Kontrollmaßnahmen sind nur Stützräder, um ein ohnehin überfälliges System noch länger am Leben zu erhalten. Wir brauchen neue Formate, mit denen sich derartige Kontrolle erübrigt. Die Klausur hat ausgedient. Diesen Wahrheiten müssen sich die Lehrenden stellen – auch wenn sie vielen als unbequem erscheint.

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