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Bild: Christopher Fellehner

Feuerlaufseminar in Oberbayern : Perfekte Glut

  • -Aktualisiert am

Auf dem Feuerlaufseminar in Oberbayern geht es paarweise fünf Meter über glühende Kohlen. Die Teilnehmer sind Feuer und Flamme für diese abgefahrenen Treffen.

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          Alle schauen gebannt auf das lodernde Feuer, dessen Flammen bis zu vier Meter hoch in den abendlichen Himmel hinaufragen. Eine Mischung aus Vorfreude und Ehrfurcht erfüllt die Luft. Noch wird die Wärme des Feuers aus einer sicheren Distanz genossen, doch in den glühenden Augen der Leute erkennt man die Aufregung vor dem bevorstehenden Ereignis. „Sobald das Feuer brennt, hat man hochaufmerksame Teilnehmer“, sagt Dieter M. Hörner, der Leiter des Feuerlaufseminars. Kaffee und Kuchen und der Geruch von Räucherstäbchen empfangen die nach und nach eintrudelnden Gäste bei der Ankunft im Seminarraum des Hotels Keindl in Oberaudorf in den bayerischen Voralpen. Dort findet das Feuerlaufseminar seit 15 Jahren statt.

          Es gibt Umarmungen und lachende Gesichter. Die 23 Besucher verteilen sich in dem großen Raum. In der Mitte sind Stühle aufgestellt, an den Seiten liegen rote Ma­tratzen. „Mein erster Feuerlauf war so abgefahren“, beginnt Dieter Hörner in T-Shirt und Jeans. Humorvoll erzählt der 63-Jährige mit dem grauen Stoppelbart von seinen ersten Erfahrungen und gibt einen Ausblick, wie der Nachmittag ablaufen wird. Anschließend übergibt er an seinen Sohn Manuel und Trainerin Anja, die das Seminar weiterführen. „Ich bereite jetzt ein supergeiles Feuer vor, da kriegt ihr die perfekte Glut zum Drüberlaufen“, verabschiedet er sich mit einem breiten Grinsen von der Gruppe, der es die Sprache verschlagen hat. „Unsere Kinder sind alle in jungen Jahren übers Feuer gelaufen, die sind da nicht rausgekommen“, erzählt der fünffache Familienvater und leidenschaftliche Motorradfahrer. Ursprünglich in einem Vertrieb für Kosmetik und Lederprodukte tätig, wollte er irgendwann etwas weniger Theoretisches machen und lief 1988 bei einem Feuerlauf in der Schweiz zum ersten Mal über die heiße Glut.

          15 000 Menschen übers Feuer gebracht

          Wenige Zeit später veranstaltete er sein erstes Feuerlaufseminar. „Als ich angefangen habe, war Feuerlauf einer gewissen spirituellen Szene vorbehalten, in der sie meditiert oder Rituale gemacht haben“, berichtet er. „Ich habe mir das angeschaut und gedacht: Ich möchte das für jeden haben.“ Dies ist ihm gelungen, wie die bunt gemischten Gruppen zeigen. „Der Jüngste war zweieinhalb, der Älteste 86“, sagt Hörner stolz. Er und seine Frau Petra haben vor 30 Jahren die „Positiv Factory“, ein Institut für Persönlichkeitsbildung, in Rosenheim gegründet und seither 15 000 Menschen über das Feuer gebracht und 70 Feuerlauftrainer ausgebildet. 1998 haben sie den ersten Feuerlaufrekord mit einer Strecke von 30 Metern aufgestellt und es in das Guinnessbuch geschafft.

          Bevor es runter auf die Wiese geht, spielt die Vorbereitung eine essenzielle Rolle. Nach einigen Grundlagen zum Unterbewusstsein gibt es ruhige Momente, um die innere Kraft und das nötige Vertrauen in sich selbst zu finden. „Es geht uns darum, den Menschen zu zeigen: Wenn du dich ausrichtest und genau dieses Vertrauen hast, dann kannst du das“, erläutert der muskulöse Sportler. Nun sucht sich jeder einen Partner, mit dem er später zusammen über die Glut laufen möchte. Immer wieder wird der Lauf gedanklich und auch auf Bodenmatten simuliert. Ein sogenanntes Kraftwort, also die Intention, mit der man über die Kohlen gehen möchte, zu finden soll das Unterbewusstsein auf den Erfolg konditionieren und als Antrieb für den ersten Schritt dienen. „Unsere Kraftwörter sind alle positiv besetzt, das geht gar nicht anders, man muss da mit Freude reingehen“, erklärt Dieter Hörner. So haben einige die Begriffe „Loslassen“ oder „Power“ gewählt. Im Wechsel mit solchen Übungen wird die Musik laut aufgedreht, und alle tanzen, springen und feuern sich gegenseitig an. „Einen Feuerlauf ohne Tanzen gibt es nicht“, da ist sich Hörner sicher. „Viele Menschen werden ruhig, wenn sie Angst haben. Wenn wir das Tanzen jetzt nicht hätten, dann hätten wir irgendwann eine schwere Gruppe, die sich nicht bewegt.“

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