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Trauer nach der Tat von Kusel : „Wir werden dich immer lieben“

Gedenkminute: Passanten stehen vor der Polizeiinspektion Kusel. Bild: dpa

Kusel gedenkt der getöteten Polizisten. Die Angehörigen der getöteten Polizeianwärterin werden vom Staat wohl wenig finanzielle Unterstützung bekommen – doch viele Menschen zeigen mit Spenden ihre Solidarität.

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          Brennende Kerzen, ein Meer aus Blumen und ein Herz mit der Aufschrift „Es bleibt die Erinnerung“: Der Platz vor der Polizeiinspektion Kusel ist ein Ort der Trauer. Am Freitag traf sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit den Kollegen der beiden getöteten Polizisten. „Diese grau­same Tat schweißt die Polizeifamilie noch stärker zusammen“, sagte sie. Am Morgen gedachte die Polizei in einer deutschlandweiten Schweigeminute der Kollegen. An einer ökumenischen Gedenkfeier hatten am Donnerstagabend Hunderte Menschen teilgenommen – in der Stadtkirche und bei der Übertragung auf dem Marktplatz. „Die Lebenslichter von Yasmin und Alexander sind brutal erloschen“, sagte der evange­lische Dekan Lars Stetzenbach, während zwei Kerzen am Altar gelöscht wurden.

          Sebastian Eder
          Redakteur im Ressort „Gesellschaft & Stil“.
          Anna Schiller
          Volontärin.

          Zu den persönlichen Hintergründen der Opfer machen die Behörden nur wenige Angaben – auch um die Angehörigen in ihrer Trauer zu schützen. Yasmin B. war Polizeianwärterin, im Mai hätte sie ihre Ausbildung abgeschlossen. Dann wäre sie Polizeikommissarin geworden. Sie studierte an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz. Auf dem Campus in Büchen­beuren gibt es seit 2017 eine Gedenkstätte für Polizisten, die im Dienst ums Leben gekommen sind. „Hier werden auch die Namen der beiden getöteten Kollegen ihren Platz finden“, teilt die Hochschule mit. Am Montag habe es dort eine kurze Andacht gegeben. Polizeiseelsorger und Sozialberater stehen den Kommilitonen für Gespräche zur Verfügung. Außerdem spreche man regelmäßig über die Gefahren und Risiken des Berufs. Yasmin B.s Mutter schrieb am Dienstag auf Facebook: „Mein Kind, wir werden dich immer lieben und vermissen.“ Dazu teilte sie das Bild einer brennenden Kerze. Unter dem Beitrag sprachen ihr viele Menschen ihr Beileid aus. Ein Nutzer schrieb: „Uns fehlen die Worte. Ich glaube, da gibt es auch keine.“

          „Zwei von uns“

          Ihr Kollege, der 29 Jahre alte Polizist, der ebenfalls erschossen wurde, hieß Alexander K. Er kam aus dem Ort Freisen, der nur 15 Kilometer entfernt von Kusel liegt. Der Amateurfußballverein FC Freisen hat auf seiner Internetseite eine Traueranzeige veröffentlicht. Er werde „in jeder Kabine, bei jedem Spiel, auf jedem Sportplatz bei uns sein, weil wir jedes Mal an dich denken werden, Alex“, heißt es da. Hans-Günther Alles, medizinischer Betreuer der ersten Mannschaft des FC Freisen, sagte: „Alex hat schon in der E-Jugend bei uns gespielt, er war immer zuvorkommend, immer lieb, immer hilfsbereit.“ In der ersten Mannschaft sei er Stammspieler in der Vertei­digung gewesen – und auch abseits des Platzes ein sehr aktives Vereinsmitglied. „Er hat immer ein Ohr für seine Mitspieler gehabt und nie Nein gesagt“, sagte der 71 Jahre alte Betreuer.

          In Kusel: Polizeibeamte umarmen sich nach der Gedenkfeier für die beiden erschossenen Polizeibeamten vor der Fritz-Wunderlich-Halle.
          In Kusel: Polizeibeamte umarmen sich nach der Gedenkfeier für die beiden erschossenen Polizeibeamten vor der Fritz-Wunderlich-Halle. : Bild: dpa

          Der plötzliche Tod eines Partners oder Kindes kann Angehörige auch finanziell belasten. Eine Beerdigung muss organisiert werden, ein Teil des Einkommens fällt weg, und häufig brauchen sie psycholo­gische Unterstützung. Daher steht ihnen gesetzliche Hilfe zu. Die Witwe eines Polizeibeamten, der im Dienst getötet wird, und deren Kinder bekommen in Rheinland-Pfalz einmalig 60.000 Euro. Außerdem steht ihr ein monatliches Witwengeld zu, das 60 Prozent des Gehalts entspricht – der übernächsten Besoldungsgruppe. Der Polizist wird symbolisch postum befördert. Kinder eines im Dienst getöteten Polizisten bekommen 30 Prozent. Nicht verheiratete Partner hingegen gehen leer aus.

          Auch die Angehörigen der getöteten Polizeianwärterin werden vom Staat wenig Unterstützung bekommen. Da sie ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatte, war sie Beamtin auf Widerruf. Ihre Familie hat daher keinen Anspruch auf Ver­sorgungsbezüge. Nur ein wesentlich geringerer Unterhaltsbeitrag steht ihr zu. „Das ist eine brutal kritikwürdige Lücke“, sagt Sven Hüber von der Gewerkschaft der ­Polizei. Vom zweiten Ausbildungsjahr an nähmen Polizeianwärter an Einsätzen teil – ohne dass sie abgesichert seien. „Sie sind Teil des Teams. Wir können ihnen nicht sagen, sie sollen im Auto bleiben und den Kopf einziehen.“ Hüber sieht zudem auch kritisch, dass posttraumatische Belastungsstörungen nicht als Dienstunfall anerkannt würden. Polizisten, die etwa das Auffinden eines getöteten Kollegen so belaste, dass sie nicht mehr arbeiten könnten, bekämen keine Entschädigungen. „Sie haben im Dienst Schaden genommen. Wieso erkennt der Staat das nicht an?“

          Die Polizei wird daher selbst tätig. „Kusel – zwei von uns“: Unter diesem Verwendungszweck nimmt die Polizeistiftung Rheinland-Pfalz derzeit Spenden entgegen. Das Geld soll an die Familien und Kollegen von Yasmin B. und Alexander K. fließen – schnell und unbürokratisch, wie Jochen Capalo sagt. Er ist Schutzpolizist beim ­Polizeipräsidium Mainz und arbeitet ehrenamtlich für die Stiftung. Der Anstoß für das Spendenkonto sei auch aus der Bevölkerung gekommen. Seit Beginn der Woche hätten sie zahlreiche Anfragen bekommen. Capalo sieht die vielen Spenden als „ein Riesenzeichen der Solidarität“.

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