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Steigende Verbraucherpreise : Bundesbank-Präsident Weidmann warnt vor der Inflation

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann: „Nicht jeder Anstieg der Finanzierungskosten der Staaten erfordert eine geldpolitische Reaktion.“ Bild: dpa

Wenn die Metallpreise steigen, trifft das zunächst die Unternehmen. Am Ende aber können auch die Getränkedosen im Supermarkt teurer werden – dann spüren es die Verbraucher im Geldbeutel.

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          In der Regel sind Getränkedosen nicht gerade das Hauptbeschäftigungsfeld eines Notenbankchefs: Am Mittwochabend hat Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gleichwohl gerade diesem eher unscheinbaren Alltagsprodukt seine Aufmerksamkeit gewidmet, um die Stufenhaftigkeit von Inflation zu beschreiben.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Zuletzt hätten die Rohstoffpreise deutlich angezogen und damit Vorprodukte in der Industrie verteuert, führte Weidmann beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) aus. Wenn die Unternehmen ihre höheren Kosten an ihre Kunden weitergäben, könne sich dies später auch auf die Verbraucherpreise auswirken. „Wenn beispielsweise Metalle im Preis steigen, trifft das zunächst die metallverarbeitenden Unternehmen“, sagte Weidmann. „Am Ende könnten aber etwa auch die Getränkedosen im Supermarkt teurer werden.“ 

          Zuvor schon hatte der Bundesbank-Präsident erwähnt, ein britischer Mathematiker habe ausgerechnet: Alle Coronaviren, die derzeit die Menschen heimsuchten, hätten auf kleinstem Raum Platz – in einer Getränkedose.

          Sprung bei der Inflation

          Weidmann sagte, die EZB rechne mit einem „Sprung“ der Inflation in diesem Jahr. Nach 0,3 Prozent im vergangenen erwarte sie nun eine Inflationsrate von 1,5 Prozent. Der Sprung sei vor allem auf Sondereffekte zurückzuführen, dazu zählten etwa die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland sowie der kräftige Anstieg der Energiepreise. Das gedrückte Aktivitätsniveau der Wirtschaft insgesamt dämpfe die Preisentwicklung. Wenn es bis zur Überwindung der Pandemie nun etwas länger dauere, müssten womöglich die Prognosen für das Wirtschaftswachstum gesenkt werden; in diesem Fall könnte sich auch der Anstieg der Inflation länger verzögern als erwartet.

          Es gebe aber auch „Aufwärtsrisiken“ für den Inflationsausblick, sagte Weidmann und nannte etwa die großen Ersparnisse, die von den Menschen im Lockdown gebildet wurden: „Allein im vergangenen Jahr haben die privaten Haushalte in Deutschland 110 Milliarden Euro mehr gespart als 2019.“ Viele Leute hätten ihr Geld einfach nicht wie gewünscht ausgeben können. Das könnte nach der Krise zu Nachholkonsum führen. In einigen Wirtschaftsbereichen könnte eine vorübergehend größere Nachfrage auf ein begrenztes Angebot treffen und die Preise steigen lassen. Dies sei etwa bei Pauschalreisen denkbar oder bei Restaurantbesuchen. Allerdings zeigten Untersuchungen der Bundesbank, dass vor allem reiche Leute in der Krise viel gespart hätten; diese gäben aber oftmals einen geringeren Teil ihres Einkommens aus: „Deshalb dürften ihre zusätzlichen Ersparnisse weniger dem Konsum, sondern stärker dem Vermögensaufbau dienen.“

          Die Notenbanken müssten gleichwohl derzeit sehr wachsam sein, meinte Weidmann: „Es wäre fahrlässig, auszuschließen, dass wir in Zukunft wieder mit stärker inflationären Kräften zu tun bekommen.“ Andy Haldane, Chefvolkswirt der Bank of England, habe kürzlich eine Metapher Friedrich August von Hayeks aufgegriffen: Die Inflation unter Kontrolle zu halten, gleiche dem Versuch, einen Tiger beim Schwanz zu packen. Der Inflationstiger habe viele Jahre lang geschlafen. Jetzt sei er aber aus seinem Tiefschlaf geweckt worden. Haldane sehe durchaus das Risiko, dass die Zentralbanken zu zögerlich handelten und so den Inflationstiger von der Leine ließen.

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