Im Po wird das Wasser knapp
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Kaum Wasser: In Turin zeigt sich die Trockenheit deutlich. Bild: picture alliance / NurPhoto
In Boretto wurde dieser Tage der niedrigste Wasserstand im Po seit 70 Jahren gemessen. Die Konflikte zwischen den Regionen, die das Wasser aus dem Fluss nutzen, werden schärfer.
Im Museum des Flusses Po und der Binnenschifffahrt in Boretto ist keine Menschenseele. Die 5000 Einwohner des Städtchens, das nahe Parma unmittelbar am Südufer des Pos liegt, verbringen das sommerheiße Wochenende lieber daheim oder bei einem Ausflug ins Grüne. Manches rostige Schiff, das in dem Museum ausgestellt ist, könnte derzeit gar nicht auf dem Po fahren. In der Messstation der interregionalen Behörde für den Fluss Po in Boretto wurde dieser Tage der niedrigste Wasserstand seit 70 Jahren gemessen.
Grund für den Tiefstand ist die anhaltende Dürre in Oberitalien, zu der jetzt die erste Hitzewelle des Frühsommers kommt. Außerdem hat es im Winter in den Bergen kaum geschneit, sodass die Zuflüsse zu wenig Schmelzwasser von der Südseite der Alpen und von den Dolomiten in den Po eingetragen haben. Auch die Pegelstände des Comer Sees und des Lago Maggiore sind stark gesunken. Währenddessen werden die Landwirtschaft in der fruchtbaren Poebene, wo etwa ein Drittel der Agrarproduktion Italiens generiert wird, sowie die wachsenden Städte und die modernen Industrieanlagen der Region immer durstiger. Rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes werden am Rande und in der großen Ebene des Pos erwirtschaftet.
Über gut 650 Kilometer erstreckt sich der längste Strom Italiens von seinem Quellort in den Cottischen Alpen nahe der Grenze zu Frankreich bis zur Deltamündung an der Adria. Dort führt das Niedrigwasser dazu, dass Salzwasser vom Meer her den Flusslauf hinaufdrückt. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft entlang des Pos ist zum Erliegen gekommen. Auch bei der Kühlung von konventionellen Kraftwerken könnte es bald Probleme geben. Der Bauernverband Coldiretti klagt über Wasserrationierung und eingeschränkte Beregnung der Felder.
Kein Regen in Sicht
Die Rede vom „Wasserkrieg“ in Norditalien mag übertrieben sein, doch die Konflikte zwischen den Regionen werden schärfer. Die Regionen Emilia-Romagna und Venetien in der Poebene fordern von den autonomen Provinzen Trient und Südtirol weiter im Norden, diese sollten weniger Wasser aus der Etsch entnehmen und die Wehre ihrer Stauseen öffnen. Doch dort leidet man ebenfalls unter der Wasserknappheit. Der künstlich aufgestaute Reschensee im Vinschgau ist halb leer. Der berühmte Kirchturm des bei der Flutung des Hochtals von 1950 im Stausee versunkenen Dorfes Graun steht in diesem Frühjahr faktisch auf dem Trockenen. Auch am Reschensee ist die Stromerzeugung wegen des Niedrigwassers stark reduziert.
„Wir haben einen schneearmen Winter und ein sehr trockenes Frühjahr gehabt“, sagt Roberto Dinale, Direktor des Amtes für Hydrologie und Stauanlagen in Bozen, der Hauptstadt der Provinz Südtirol. „Auf den Bergen liegt im Vergleich zu anderen Jahren nur etwa die Hälfte der Schneemenge“, sagt Dinale, was bei der Etsch eine Reduktion des Wasserdurchflusses um 40 Prozent im langjährigen Vergleich ausmache. Die Wasserentnahme in Südtirol und in Trient spiele für die Wassermenge, die schließlich in der Poebene ankommen, keine entscheidende Rolle, so Dinale: „Und selbst wenn wir alle Ableitungen schließen und kein zusätzliches Wasser mehr verbrauchen würden, änderte das an der Trockenheit in Venetien wenig.“
Die einzige Hoffnung für eine nachhaltige Verbesserung der prekären Wasserlage in der Poebene wären ausgiebige Regenfälle. Doch die sind nach den Prognosen der Meteorologen vorerst nicht zu erwarten. Stattdessen soll es weiter sommerlich heiß bleiben.