Borussia Dortmund in der Krise : Viele Indianer und kein Häuptling
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Mächtig unter Druck: Trainer Bosz muss sein Team auf das Duell in Leverkusen einstimmen – und braucht erfahrene Spieler wie Sahin (links) und Schmelzer. Bild: SvenSimon
Was Dortmund fehlt, sind Führungskräfte auf dem Platz. Unter diesen Umständen ist es für den umstrittenen Trainer Bosz überaus schwierig, das Team aus der Schockstarre zu befreien. Einen wie Marco Reus könnte der BVB derzeit dringend gebrauchen.
Es ist noch nicht allzu lange her, dass Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung, Mutmaßungen über eine Krise bei Borussia Dortmund als „krank“ bezeichnet hat. Diese Diagnose hat sich allerdings als falsch erwiesen. In den zurückliegenden zehn Pflichtspielen gelang dem Ensemble des BVB nur ein einziger Sieg – im Pokalwettbewerb gegen den Drittligaverein 1. FC Magdeburg.
In der Bundesliga ist der BVB vom ersten auf den fünften Platz zurückgefallen. Auch Watzke schwant inzwischen, dass etwas faul ist in Dortmund. „Irgendwo bei uns funktioniert etwas nicht“, sagte er jüngst und wandte sich coram publico an Peter Bosz. Aufgeschreckt durch das 4:4 gegen den FC Schalke nach einer 4:0-Führung forderte Watzke den Cheftrainer auf, „alles auf den Prüfstand zu stellen und jeden Stein umzudrehen“.
Damit Bosz dabei nicht so allein ist, wie es manchmal aussieht, stellte Watzke ihm Sportdirektor Michael Zorc als eine Art Sonderermittler zur Seite. Vor dem Auswärtsspiel an diesem Samstag in Leverkusen (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei Sky) hätte das Publikum gern erfahren, was beim Umdrehen der Steine so alles zum Vorschein gekommen ist. Als Bosz aber nach ersten Ergebnissen gefragt wurde, hielt er sich bedeckt.
Zorc und er gingen zwar äußerst gründlich vor, sagte der Trainer, er halte es aber für unangebracht, die Ergebnisse öffentlich auf den Tisch zu legen. Der Sportdirektor wiederum beeilte sich, zu versichern, die Auswertung verschiedener Daten spreche „gegen die Theorie, die Mannschaft sei nicht fit“. Dieser Verdacht war aufgekommen, weil der BVB zuletzt gerade nach der 60. Minute häufig nachließ.
Ob Manager und Trainer bei der Suche nach den Krisenherden aber schon fündig geworden sind, darüber hüllen sie sich in Schweigen. Dafür gewährte Bosz einen kurzen Einblick ins Innenleben der Mannschaft und erklärte, was das 4:4 gegen Schalke angerichtet hat, das für Dortmund einer Niederlage gleichkam. „Es war ein Schock.“ Vielleicht liegt hier ein Quell der Erkenntnis. Seit die Erfolgsserie der ersten sieben Spiele gerissen ist, lassen die BVB-Profis sich nach Gegentoren so stark verunsichern, dass ihnen die Spiele regelmäßig entgleiten.
Nach Rückschlägen geht die Siegermentalität verloren, die zu Saisonbeginn noch zu erkennen gewesen war. Darin sieht auch Kapitän Marcel Schmelzer „ein zentrales Problem“, eines der Themen, die Dortmund „intensiv angehen“ müsse. Die augenfällige Labilität scheint nicht nur auf die vieldiskutierte, zuletzt modifizierte Taktik des Trainers zurückzuführen zu sein und schon gar nicht auf die Qualität der Einzelspieler.
Was fehlt, sind Führungskräfte auf dem Platz, die robust und selbstbewusst genug sind, ihren Kollegen Halt zu geben, wenn es brenzlig wird, und die Jungen mitreißen können, wenn es darum geht, sich gegen Niederlagen aufzulehnen. Kein BVB-Spieler schafft es derzeit, mit seiner Ausstrahlung die Kollegen zu begeistern und die Gegenspieler einzuschüchtern. Fernseh-Experte Lothar Matthäus bemängelt gerne: „Es gibt keinen, der in großen Spielen vorangeht.“