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Handball-Team vor WM-Play-offs : Gislason und die drei Fragezeichen

  • -Aktualisiert am

Nur Zuschauer: Philipp Weber kämpft gegen zwei starke Mitbewerber. Bild: AFP

Der Handball-Bundestrainer warnt vor den WM-Play-offs gegen den vermeintlichen Underdog Færøer. Dem Problem seines Teams nähert er sich pragmatisch. Einer bleibt weiterhin außen vor.

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          Eine sportliche Auseinandersetzung mit den Schafsinseln hat immer eine folkloristische Komponente. Gibt es eine Halle? Haben sie Handbälle? Arbeiten sie hauptberuflich als Fischer? Für solche Späße ist Alfred Gislason nicht zu haben. Natürlich hat er gewarnt und aufgezählt, wo die Handballspieler der Færøer überall unter Vertrag stehen: in Island, Dänemark, Schweden. Sogar der aktuell beste Schütze der European League stammt von den windigen Inseln im Nordatlantik – Elias Ellefsen heißt er und trifft für das schwedische Sävehof.

          Also bloß keine Überheblichkeit, wenn die Nationalmannschaft an diesem Mittwoch (18.15 Uhr bei Sport1) in Kiel und am Samstag (20.00 Uhr bei zdf.de) in Tórshavn um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft Anfang 2023 in Polen und Schweden spielt. Alles andere als zwei deutliche Siege in diesen WM-Play-offs wären allerdings eine böse Überraschung – die Færøer wurden erst durch die Disqualifikation der belarussischen Handballspieler zum deutschen Gegner.

          Gislason unzufrieden mit Weber

          Als Bundestrainer ist man angesichts der wenigen Termine im Kreis der Elitespieler auf Erkenntnisse angewiesen. Gislason hatte seine Schlüsse aus den von Corona geprägten Tagen der EM gezogen und war zu einem überraschenden Ergebnis gekommen: Als die Deutschen im März gegen Ungarn testeten (31:31, 30:29), fehlte Philipp Weber. Der Magdeburger war bei den drei großen Turnieren unter Gislason dessen Spielmacher Nummer eins. Gislason hatte ihn stark geredet, ihm vertraut, ihn gegen öffentliche Kritik verteidigt. Bis zur EM. Danach aber ließ er den Leipziger Luca Witzke und Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen die deutschen Angriffe ordnen.

          Und auch diesmal wird Weber zuschauen. Zur Erklärung sagte Gislason am Dienstag kurz und trocken: „Ich war nicht großartig zufrieden mit seiner Leistung bei der EM.“ Weber hatte in den sieben Partien von Bratislava Verantwortung übernommen; in seinem Selbstverständnis ist er ein Führungsspieler. Seine Trefferquote von 39 Prozent war dürftig, die Regiequalitäten in der Hauptrunde mäßig. Allerdings war es auch eine höchst undankbare Rolle, ständig wechselnde Nebenleute anzuleiten.

          Gislason hob noch zwei andere Dinge hervor, die aus seiner Sicht gegen den 29 Jahre alten Magdeburger sprechen: er spiele im Verein hauptsächlich im linken Rückraum und sei kein sonderlich versierter Abwehrspieler. Aber hätte er ihn dann nicht für halblinks nominieren können? Dort hatte Weber für den SCM zuletzt überzeugt. „Halblinks haben wir zu viele, die um diese Position kämpfen“, antwortete der Bundestrainer. Ob er mit Weber gesprochen habe, ließ er offen.

          Gefragt sind Alleskönner

          Die großen Spielmacher der Gegenwart wie Jim Gottfridsson sind Alleskönner, und sie wollen es auch sein. Für den Wechsel auf die Bank bleibt nämlich kaum Zeit, wenn der Gegner angreift, und deswegen werden weniger abwehrstarke Regisseure möglichst weit abseits geparkt, wo sie im Spiel bleiben, aber wenig Schaden anrichten können beim Verteidigen. Der Wechsel Abwehr/Angriff ist unbeliebt geworden bei den Trainern. Das Spiel ist einfach zu schnell. Gefragt ist also der Universalist. Idealerweise einer, der auch Masse und Beweglichkeit für hinten mitbringt, um nicht sofort vom Kontrahenten als Schwachpunkt identifiziert zu werden.

          Juri Knorr von den Rhein-Neckar-Löwen gilt als hochbegabter Spieler.
          Juri Knorr von den Rhein-Neckar-Löwen gilt als hochbegabter Spieler. : Bild: dpa

          Weber ist der Spurt zur Bank sowohl beim SC Magdeburg als auch beim DHB in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn es sein muss und keine Zeit bleibt, rückt er hinten nach außen. Witzke und Knorr sieht Gislason diesbezüglich vorn. Zwei mit 23 und 21 Jahren junge Spielmacher von ganz unterschiedlicher Art: Witzke verteilt den Ball ruhig und sicher, erinnert dabei an Martin Strobel.

          Knorr gilt als hochbegabt und wäre schon bei der EM im Januar dabei gewesen, hätte er sich frühzeitig impfen lassen. Er steht für Kreativität, für Torgefahr, er ist mutig und unberechenbar, reiht an schlechten Tagen aber auch Fehler an Fehler. Weil sie so verschieden sind, geben die zwei Gislasons Kader immerhin eine interessante Note – vom Können der Stars sind sie (noch) weit entfernt, und so ist man mittendrin in der altbekannten Diskussion um die Problemzone des deutschen Handballs.

          Gislason will sie nicht befeuern, agiert gewohnt pragmatisch. Er hält viel von Witzke: „Er spielt gut in der Abwehr und treibt den Ball nach vorn.“ Für Weber sei die Tür nicht zu, sagte er: „Philipp wird ganz sicher die Möglichkeit bekommen, wieder eine Rolle bei uns zu haben.“ Dass Witzke und Knorr im Moment die deutlich besseren Karten haben in der Mitte des Rückraums, wurde am Dienstag allerdings sehr deutlich.

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