Berlin verliert gegen Kiel : „Wir sind an Niklas Landin gescheitert“
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Er hält und hält und hält: Kiels Torwart Niklas Landin Bild: dpa
Der Kieler 36:29-Sieg über die Füchse ist eine Machtdemonstration des THW in der Handball-Bundesliga. Mit Torwart Landin in Topform hat das Team von Trainer Jicha beste Aussichten im Titelkampf.
Hinterher war Niklas Landin die Bescheidenheit in Person. Auf „50:50“ bezifferte er das Verhältnis von Paraden zu Toren von den Berliner Außenpositionen – dabei hatte der 34 Jahre alte Torwart des THW Kiel sein Gehäuse in der zweiten Halbzeit derart zugenagelt, dass einem die Flügelspieler leidtun konnten. „Ich habe mich ein bisschen geärgert, weil ich wusste, wie sie werfen, sie aber trotzdem getroffen haben“, sagte Landin und musste selbst lachen.
Am liebsten wäre es ihm gewiss, mal „zu null“ zu spielen – was im Handball ja nur theoretisch möglich ist. Am Sonntagnachmittag näherte sich der dänische Keeper wieder einmal seinem Leistungsoptimum, als er beim Kieler 36:29 (17:15) gegen die Füchse Berlin 23 Bälle abwehrte. Sein Liga-Bestwert? „Hm, ich weiß nicht“, antwortete Landin grinsend, „ich habe mal bei einem Spiel in Balingen mehr gehalten.“ Um seine Karrierehöhepunkte zu kennen, muss man wohl Landin selbst sein.
„Wir waren zum Siegen verdammt“
Trotz vieler guter Chancen, die sein Team herausspielte, blieb dem Berliner Trainer Jaron Siewert in der Pressekonferenz nur, die unbequeme Wahrheit auszusprechen: „Ich bin nicht der erste und auch nicht der letzte Trainer, der hier sitzt und sagt: Wir sind an Niklas Landin gescheitert.“ Wobei Landin die Kieler ja nach dieser Saison verlässt.
Sein großer Auftritt vor 10.250 Fans sicherte dem THW einen verdienten Erfolg in einem packenden Spitzenspiel, der für beste Aussichten im Titelkampf sorgt: Nach Minuspunkten sind die Kieler schon Tabellenführer vor den Füchsen; bei ausstehenden Heimspielen gegen Magdeburg und Flensburg wittern sie die große Chance, das spannendste Titelrennen seit Langem für sich zu entscheiden.
Dazu sagte Abwehrchef Hendrik Pekeler: „Wir waren zum Siegen verdammt und haben dem Druck standgehalten. Die Ligaspitze kann an jedem Spieltag durcheinandergeschüttelt werden, aber mit unseren Heimspielen haben wir gute Möglichkeiten.“ Dem pflichtete Trainer Filip Jicha bei: „Wenn man im März in der Situation ist, selbst alles in der Hand zu haben, ist man da, wo man vor der Saison zu diesem Zeitpunkt sein wollte.“
„36 Tore sind eine Riesenleistung“
Der deutliche Sieg vom Sonntagnachmittag war eine gelungene Antwort auf das 26:34 vom Hinspiel. Dabei wollte Jicha den Grund des Erfolgs verständlicherweise nicht nur in Landins Werk begründet sehen: „Berlin kam als absolute Spitzenmannschaft. 36 Tore sind eine Riesenleistung.“ Daran hatte er seinen Anteil.
Variabel spielte seine Sieben, war torgefährlich von allen Positionen, vertraute nicht allein auf Wurfkraft aus dem Rückraum, wo zuletzt eine Kieler Vakanz gewesen war – so beim peinlichen 31:34 gegen den SC DHfK Leipzig vor der Länderspielpause, die dem THW einen erheblichen Dämpfer versetzt hatte und die Mannschaft angeschlagen wirken ließ. „Die Angriffseffizienz war zuletzt unser größtes Problem, das hat quasi unsere Leichtigkeit ausgeschaltet“, sagte Jicha zu den Auftritten vor der Berlin-Gala.
Doch Kiel wäre nicht Kiel, gäbe es nicht einen Schalter, den Jicha umzulegen weiß, um sein Team wieder aufs Gleis zu setzen. Erst die Länderspielpause Anfang März, dann ein deutlicher Sieg in Melsungen, gefolgt vom 41:28 bei Dinamo Bukarest am Mittwoch – es kam einer Befreiung gleich, die in die Füchse-Gala mündete. „Heute hat es einfach Spaß gemacht“, sagte Hendrik Pekeler.
Es ist die Frage, ob Jicha mit seinem hohen Arbeitsethos und der Haltung, in jedem Training alles zu fordern, seine Mannschaft stellenweise überfordert. Von einer gewissen „Leere“ hatte Regisseur Miha Zarabec gegenüber den „Kieler Nachrichten“ gesprochen. In jeder Partie das volle Leistungsvermögen anzuzapfen fordert jeden Profihandballer heraus. Beim Rekordmeister ist das Grundvoraussetzung.
Zarabec sagte: „Um Meister zu werden, müssen wir alles zeigen. Wir haben uns nach Leipzig zusammengesetzt, geredet, und jetzt sehe ich in jedem Training, dass wir alles zeigen.“ Für die Konkurrenz muss das wie eine Drohung klingen, und der Sieg gegen Berlin war eine Machtdemonstration – die am Ende vor allem auf Niklas Landin zurückzuführen war.