Basketball-Bundesliga : So schwach wie lange nicht mehr
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Mit amerikanischer Empfehlung: Ulm baut auf Brandon Paul. Bild: IMAGO/Eibner
Hinter den drei erfolgreichsten Teams aus Berlin, Bonn und München klafft ein großes Leistungsloch in der Basketball-Bundesliga. Die Gründe für das gesunkene Niveau liegen auf der Hand.
Am Wochenende beschloss die Basketball-Bundesliga ihre Hinrunde mit dem 17. Spieltag. Mit Ausnahme der drei Spitzenteams aus Berlin, Bonn und München kann jede Mannschaft auch gegen Vertreter aus dem Tabellenkeller unterliegen. Diese Konstellation beschert zwar Spannung, ist aber andererseits kein Zeichen von Qualität.
Eine Zweiklassengesellschaft mit drei Mannschaften auf der einen und 15 auf der anderen Seite ist höchst ungewöhnlich. Sie ist nicht etwa zustande gekommen, weil sich die Teams unter dem Play-off-Strich verbessert hätten. Die Mannschaften der unteren Tabellenhälfte haben ihr Niveau geradeso halten können, während es auf den Plätzen vier bis zehn eindeutig nach unten gegangen ist. So schwach wie in dieser Saison war die Bundesliga in den vergangenen Jahren nie.
Chemnitzer Kader deutlich schwächer
Der jüngste Spieltag lieferte weitere Belege. In einem so angekündigten Spitzenspiel zwischen dem Tabellendritten und -vierten besiegten die Bayern zu Beginn einer für sie kräftezehrenden Woche mit zwei Euroleague-Partien die BG Göttingen 105:74. Die Differenz von 31 Punkten zeugte von einer Deklassierung. Dennoch könnte es für die Göttinger zur Playoff-Teilnahme reichen.
Die ist auch für die Niners Chemnitz möglich, die derzeit – wie am Ende der vergangenen Spielzeit – auf dem sechsten Platz liegen. Im Unterschied zur vergangenen Saison ist der Kader allerdings deutlich schwächer. Am Sonntag unterlagen die Sachsen beim Tabellenvorletzten in Braunschweig mit 71:78 und verpassten so den Sprung unter die ersten Vier. Die erschreckend schwache Trefferquote von 19 Prozent bei den Dreipunkte-Würfen erlaubte Braunschweig den ersten Heimsieg. Die Löwen spielen nur mit drei Ausländern.
Fehler und Unzulänglichkeiten
Es entstehen reihenweise solche Einzelaufnahmen, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Die Fraport Skyliners waren nach Abschluss der Saison 2020/21 abgestiegen, konnten die Liga aber über eine Wildcard halten. Die neue Besetzung ist nicht besser als die alte, aber dennoch haben die Frankfurter trotz Verletzungsproblemen bessere Chancen, in der Bundesliga zu bleiben. Obwohl der nur 1,88 Meter große und mittlerweile 38 Jahre alte Quantez Robertson fast die Hälfte der Spielzeit auf der Centerposition aushilft, gewinnen die Hessen als die vermutlich kleinste Profimannschaft in Europa Spiele.
Aber das liegt in erster Linie daran, dass die Konkurrenz auch nur wenig zu bieten hat. Am Sonntag verspielten die Veolia Towers Hamburg, vor einem Jahr noch Play-off-Teilnehmer, mit einer völlig desolaten zweiten Halbzeit einen zwischenzeitlichen 17-Punkte-Vorsprung in Frankfurt.
Nächstes Beispiel: Die Begegnung zwischen Ludwigsburg und Oldenburg wurde groß als Generalprobe für das „Top Four“ angekündigt. Beim Pokalfinal-Turnier am 18./19. Februar in Oldenburg treffen beide Mannschaften im Halbfinale wieder aufeinander. Nach dem Duell am Samstag kann man den Favoriten aus Berlin und München, die sich in der anderen Vorschlussrundenpartie gegenüberstehen, keine großen Schwierigkeiten für das Endspiel voraussagen. Der Vergleich am Samstag war von Fehlern und Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten geprägt.
Oldenburg und Ludwigsburg gehörten in den vergangenen Jahren zum erweiterten Favoritenkreis. Sie werden auch in dieser Saison die Play-off-Runde erreichen, aber die früheren Erwartungen, dass sie einem Favoriten gefährlich werden können, wenn alles sehr gut läuft, wecken diese Teams derzeit nicht.
Ulm hat zwei Mal nachgebessert
Das große Loch hinter den drei besten Mannschaften Berlin, Bonn und München ist entstanden, weil viele Vereine, die in der Kategorie direkt darunter eingestuft werden konnten, die Ausgaben für ihre Spieler reduziert haben. Besonders offensichtlich ist dies bei den Ulmern zu erkennen. Mit Semaj Christon, Jarron Blossomgame und Cristiano Felicio hatte Sportdirektor Thorsten Leibenath vor der Spielzeit 2021/22 gleich drei ehemalige NBA-Profis an die Donau gelotst und verpflichtete mit Sindarius Thornwell im Saisonverlauf noch einen vierten.
Die Ulmer konnten keinen einzigen Vertrag dieser Spieler verlängern und hielten vor dieser Saison in deutlich kleineren Ligen Ausschau. So beschränkten sich Joshua Hawleys bisherige Profi-Erfahrungen auf Georgien und Rumänien. Der neue Power Forward der Ulmer ist kein Einzelfall. Die Tendenz, in schwächeren Wettbewerben ein Schnäppchen machen zu wollen, mag bei vielen Klubs mit kleineren Budgets zusammenhängen, ist aber der Qualität der Liga nicht zuträglich.
Ulm hat mittlerweile reagiert und zwei Mal nachgebessert. Brandon Paul und Bruno Caboclo bringen wieder das NBA-Label mit. Die Aufwärtstendenz nur damit zu erklären, wäre monokausal und falsch. Dennoch leisten die beiden Neuen einen wichtigen Beitrag dazu. Auch andere Mannschaften haben den Transfermarkt genutzt. Wer aber wie die Skyliners (Marcus Lewis aus Polen und Isaiah Washington aus der Slowakei) auf kleinere Lösungen angewiesen war, konnte sich nur marginal verbessern.
Wenn man diesem Qualitätsloch vom dritten Rang in der Tabelle an etwas Positives abgewinnen kann, dann ist es die Tatsache, dass es die drei Topteams anspornen sollte, sich unbedingt die Pole-Position nach der Hauptrunde zu sichern. Denn als Primus bekommt man im Play-off-Halbfinale einen deutlich leichteren Gegner, während sich die einzigen ernsthaften Konkurrenten im direkten Duell gegenüberstehen werden.
Der Autor war zweimal Trainer des Jahres in Deutschland.