Rassismus beim Schalker Chef : Tönnies und das „Weltbild eines Großwildjägers“
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Die Zweifel an der Haltung von Clemens Tönnies lassen sich nicht mit ein paar Worten des Bedauerns aus der Welt schaffen. Bild: dpa
Clemens Tönnies fällt durch eine rassistische Bemerkung auf. Eilig rudert er zurück. Doch das reicht nicht. Eigentlich ist es undenkbar, dass er bei Schalke im Amt bleibt – zumal es andere Vorgänge gibt, die Fragen aufwerfen.
Es muss ziemlich ungewohnt sein für Clemens Tönnies, dass er seine Kritiker diesmal nicht mit ein paar Sätzen der Beschwichtigung ruhigstellen kann. Wenn der schwerreiche Großmetzger, der nebenbei das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden beim FC Schalke 04 bekleidet, mit einer seiner vielen unüberlegten Äußerungen für Unruhe in seinem Fußballverein sorgte, saß er die Sache in der Regel einfach aus. Und als der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel 2015 das System der Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern aus Osteuropa in der Fleischindustrie wohl auch in Richtung von Tönnies als „Schande für Deutschland“ bezeichnete, erklärte der wuchtige Mann aus Rheda-Wiedenbrück hemdsärmelig: „Wenn ich einen Schwachpunkt habe, gehe ich da dran. Dafür ist Tönnies bekannt. Aus. Punkt. Ende.“ Nun wurde allerdings ein – wie Tönnies vielleicht sagen würde – „Schwachpunkt“ sichtbar, der sich nicht mit einem entschlossenen „Ich gehe da dran!“ aus der Welt schaffen lässt. Tönnies ist mit einer rassistischen Bemerkung ins Gerede gekommen.
Vorige Woche hat der 63 Jahre alte Unternehmer vor 1600 Gästen beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn einen Vortrag zum Thema „Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung“ gehalten und darin die Idee kritisiert, bestimmte Steuern für den Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Sinnvoller fände er die Finanzierung von 20 Kraftwerken in Afrika, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“. Als ihm – wohl erst nach den ersten entsetzten Reaktionen – klarwurde, was für ein Menschenbild hinter diesen Worten hervorschimmert, ruderte er eilig zurück.
„Ich bin über mich selbst bestürzt, dass mir so etwas passieren konnte. Da hilft kein drum herum reden, da hilft auch keine Verschlimmbesserung, es war schlicht töricht“, erklärte er in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eigentlich habe er sagen wollen, „dass wir Europäer uns viel mehr in und für Afrika engagieren müssen, um Afrika richtig nach vorn zu bringen“. Sein Grundgedanke sei gewesen, „dass wir in Afrika in großem Umfang investieren müssen und damit viel mehr zur Lösung der Klimaprobleme beitragen können als durch Klein-Klein-Maßnahmen in Deutschland. Das habe ich durch meine unbedachten Äußerungen, die ich zutiefst bedaure, leider völlig konterkariert.“
Aber natürlich lassen sich die nicht erst seit der vorigen Woche existierenden Zweifel an der Haltung, an den Werten dieses Mannes nicht mit ein paar Worten des Bedauerns aus der Welt schaffen. Tönnies habe „das Weltbild eines Großwildjägers“, twitterte der ehemalige Schalker Spieler Hans Sarpei, dessen Vorfahren aus Ghana stammen, und Reinhard Rauball, der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes, erklärte: „Ich war sehr überrascht, dass ihm das so passiert ist, und das kann man nicht durchgehen lassen, kommentarlos.“ Insbesondere den Applaus der Zuhörer könne man „in keinster Weise akzeptieren“.
Selbst die Bundesregierung hat reagiert, „wer dumpfen Rassismus verbreitet, stellt sich gegen Hunderttausende Fußballfans. Die übergroße Mehrheit steht klar für Menschlichkeit und Toleranz“, teilte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit. Beim FC Schalke muss Tönnies sich nun vor dem Ehrenrat erklären, das Gremium könnte eine Absetzung des Aufsichtsratschefs forcieren, denn natürlich stehen Tönnies’ Worte im krassen Gegensatz zum Leitbild des Vereins, den er in den Augen von Kritikern wie ein Autokrat beherrscht. Wohl an diesem Dienstag wird sich der Ehrenrat mit dem Fall beschäftigen: „Man wird das nicht tagelang aufschieben. Clemens Tönnies war sofort
bereit, zu kommen und sich vor dem Ehrenrat zu erklären“, sagte Anja Kleine-Wilde, Leiterin der Schalker Unternehmenskommunikation, der Deutschen Presse-Agentur. Bis zu einer Ehrenratsentscheidung werde sich kein Verantwortlicher mehr zu dem Thema äußern, sagte sie.
Eigentlich war der FC Schalke 04 lange stolz darauf, sich mit einem besonderen Engagement und großer Glaubwürdigkeit gegen jede Form von Rassismus zu stellen, während beim Rivalen aus Dortmund immer wieder Berichte über Rechtsextremismus in der schwarz-gelben Fanszene auftauchten. Finanzvorstand Peter Peters hatte noch vor wenigen Wochen lautstark gegen rassistische Verlautbarungen Einzelner im Schalker Fan-Umfeld gekämpft, „da hätte ich vor Ekel kotzen können. Manches war ekelhaft, geschmacklos und widerlich“, sagte er zu Hitlergrüßen und Bannern in der Kurve. Eigentlich ist es undenkbar, dass Tönnies im Amt bleibt, zumal er nicht zum ersten Mal in Vorgänge verwickelt ist, die die Frage aufwerfen, wie wichtig diesem Mann die Würde von Menschen und ein aus Überzeugung geführter Kampf gegen Diskriminierung wirklich ist.
Immer noch gibt es verstörende Recherche-Ergebnisse unterschiedlicher Medien über die Ausbeutung von Gastarbeitern in Ostwestfalens Großschlachtereien, unter denen das Tönnies-Imperium eine führende Rolle einnimmt. Außerdem hat der Mann den Schalker Deal mit dem Energiekonzern Gazprom eingefädelt, den Wladimir Putins autokratisches und von Menschenrechtlern massiv kritisiertes Regime in Moskau für seine außenpolitischen Machtinteressen einsetzt. „Mit Putin verbindet Tönnies eine männerbündische Art von Sympathie, die auf gegenseitigen Interessen beruht“, hat „Die Zeit“ einmal geschrieben.
Abwählen können die Mitglieder den zweifelhaften Ober-Schalker aber erst in drei Jahren wieder, es ist erst fünf Wochen her, dass 5599 der 9568 anwesenden stimmberechtigten Mitglieder diesem Mann ihr Vertrauen aussprachen. Besonders überzeugend war sein Rückhalt also schon damals nicht, das Unbehagen, das das Denken und Wirken dieses Mannes auslösen kann, ist nichts ganz Neues in Gelsenkirchen.
Asamoah von Tönnies geschockt: „Er beleidigt mich“
Der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler und ehemalige Schalke-Profi Gerald Asamoah hat Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies nach dessen umstrittenen Aussagen scharf kritisiert. „Seine Äußerung hat mich sehr überrascht, geschockt und auch verletzt. Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen“, schrieb der 40-Jährige am Sonntagabend bei Instagram. Zugleich forderte Asamoah, der bei den Gelsenkirchenern Teammanager der U 23 ist, Konsequenzen: „Das können wir nicht dulden.“ Asamoah, WM-Zweiter von 2002, spielte von 1999 bis 2010 für die Königsblauen und gewann mit dem FC Schalke zweimal den DFB-Pokal. Der Publikumsliebling ist seit 2013 auch Vereinsbotschafter der Schalker.
„Ich bin ehrlich gesagt etwas sprachlos. Ich arbeite schon lange mit Clemens Tönnies zusammen und wir sind auch schon lange eng befreundet“, sagte der in Ghana geborene Asamoah und stellte klar: „Mir gegenüber hat er sich nie rassistisch verhalten.“ Tönnies habe sich bei ihm persönlich gemeldet und sich für sein Verhalten entschuldigt. „Nichtsdestotrotz werden wir uns zeitnah zusammensetzen, denn so etwas darf nicht passieren (!!) und es ist traurig, dass wir 2019 immer noch über so etwas sprechen müssen.“ (dpa)