Außenseiter überzeugt im Pokal : Eine Niederlage als Augenschmaus
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Chancenlos sind die „Lilien“ nicht, am Ende haben sie trotzdem das Nachsehen. Bild: Reuters
Darmstadt verliert in Frankfurt zwar, doch die Mannschaft macht keinen Rückschritt. Die „Lilien“ haben gezeigt, dass sie in Liga zwei ein ernsthafter Aufstiegskandidat sind.
Wie verwandelt waren die „Lilien“-Profis, als sie vor der prall gefüllten Gästekurve ankamen. Ob des lautstarken Empfangs strafften sich die Derbyverlierer im Nu und machten bereitwillig mit bei dem kleinen Zeremoniell, das sie sonst nach Siegen mit dem harten Kern ihres Anhangs absolvieren. Einen Sieg gab es freilich nicht im Pokal-Achtelfinale, dafür ist die Eintracht letztlich sportlich und finanziell in anderen Sphären unterwegs. Aber, wenn man so will, gewonnen haben die Darmstädter dennoch.
Und zwar die Erkenntnis, auch auf größerer Bühne und höherem Niveau mit ihrer Art und ihren Fähigkeiten bestehen zu können. Nun weiß auch ein Millionenpublikum, das die ARD-Liveübertragung verfolgt hat, dass dort in Blau-Weiß eine überaus starke Mannschaft am Werk ist. Ein Team, das stringent und gewissenhaft agiert und sich auf Basis dieses Leistungsvermögens gerade zugkräftig den Weg in die erste Liga ebnet.
Auch überregional sehenswert
Über eine Stunde lang war der Außenseiter am Dienstagabend nicht nur Teilnehmer, sondern eine treibende Kraft des packenden, bis zur 90. Minute offenen Nachbarschaftsduells. Es war für die „Lilien“ zwar eine 2:4-Niederlage, aber beileibe kein Rückschritt. Sondern vielmehr ein Abend, der sogar die Wahrscheinlichkeit erhöhen könnte, dass die Darmstädter Zweitliga-Spitzenreiter ihre Mission im Mai mit dem Hauptgewinn abschließen werden.
Gerade die Südhessen haben den atmosphärisch dichten Abend in der Arena mit ihrer – selbst nach dem frühen Rückstand noch – mutigen, vorwärtsgewandten Spielweise auch überregional zu einem sehenswerten gemacht. Und danach war keine Spur von der typischen Selbstzufriedenheit des Underdogs nach einer immerhin guten Show auszumachen.
Im ARD-Studio wurde Trainer Torsten Lieberknecht gefragt, wie groß der Stolz auf seine Truppe sei. „Nee“, begann der Pfälzer seine Antwort, überging die Frage und fuhr damit fort, dass man gesehen habe, was man lernen und besser machen könne. „Das treibt uns an und das nehmen wir mit in die weitere Saison“, so Lieberknecht nach der ersten Pflichtspielniederlage seit über einem halben Jahr. Die Serie von 18 ungeschlagenen Partien in der Liga bleibt ja bestehen beziehungsweise muss an diesem Sonntag im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig verteidigt werden.
Als „besser als die Bayern“ hatte Lieberknecht die Eintracht vor dem Match tituliert. Weit besser als gemeinhin gedacht spielten im Derby die Darmstädter. „Da haben sich“, sagte Torhüter Marcel Schuhen, „auf den Tribünen und auf dem Feld sicher einige verwundert die Augen gerieben.“
Ein Musterbeispiel
Über die beiden Tore von Mathias Honsak zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung hinaus hatte die „sehr gute Darmstädter Mannschaft“ (Eintracht-Coach Glasner) dank ihres schnellen wie präzisen Umschaltspiels, das die SGE immer wieder in Schwierigkeiten brachte, weitere gute Torgelegenheiten. Zu nennen sind der Pfostentreffer des wieder immens arbeitsamen Phillip Tietz, der Distanzschuss von Fabian Schnellhardt, der Abseitstreffer von Marvin Mehlem nach starker Parade von SGE-Torhüter Trapp und weitere Aktionen von Honsak.
Der einst zu zaghafte und zuletzt monatelang verletzte Österreicher ist ein Musterbeispiel dafür, welche Auswirkungen frisch erworbenes Selbstvertrauen auf die Leistung haben kann. Durch seine beiden Treffer beim Auswärtssieg in Sandhausen hat Honsak nun innerhalb von vier Tagen vier Mal getroffen.
Während die Darmstädter Offensive sehr überzeugte, fielen weiter hinten die verletzungsbedingten Ausfälle von wichtigen Kräften ins Gewicht. Ein fitter Patric Pfeiffer in der Innenverteidigung hätte dem famosen Kolo Muani im Eintracht-Angriff wohl noch mehr Widerstand leisten können. Ein gesunder Matthias Bader hätte den „Lilien“ mit seiner Übersicht, Technik und Ruhe am Ball auf der Rechtsverteidigerposition sehr gut getan. Ausgerechnet sein Vertreter Frank Ronstadt unterlief kurz vor der Pause der schlimme Ballverlust, welcher der Eintracht den 2:2-Ausgleich ermöglichte und dem Spiel eine neue Richtung gab.
Ronstadts Pendant auf der linken Seite, Emir Karic, auch er ein Spieler aus der zweiten Reihe, trug Mitschuld am spielentscheidenden Tor zum 2:3. Dass Lieberknecht den zweiten und dritten Gegentreffer als „geschenkte Tore“ bezeichnete, wird der Sache dieses Spiels wohl nicht ganz gerecht. Denn die Eintracht hatte ja diverse hochklassige Torchancen – allein ihre ersten drei Angriffe des Spiels bedeuteten einen Treffer und zwei Großchancen gegen die szenenweise ob der Frankfurter Spielgeschwindigkeit überforderten „Lilien“.
Auch wenn Stolz auf das Geleistete für Lieberknecht an diesem Abend keine Kategorie war, fand er anerkennende Worte für seine Profis. Es sei ein „Augenschmaus für mich“ gewesen, wie seine Spieler ruhig geblieben und weiter auf den Plan vertraut hätten. „Wir“, sagte Lieberknecht, „nehmen viele gute Dinge mit.“