Delphine Arnault : Lady Dior kleidet sich in Kunst
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Projektionsfläche für die Kunst: die ansonsten medienscheue Delphine Arnault Bild: Fricke, Helmut
Delphine Arnault, die kommende Macht der Luxusbranche, arbeitet mit Künstler Anselm Reyle zusammen - und positioniert sich als Managerin mit Sinn fürs Design.
Wenn Delphine Arnault ein großes Kunstprojekt vorstellt, dann schwingt biographische Ironie mit. Denn die Tochter aus reichem Hause wurde fast unsanft in die schönen Künste eingeführt. "Als wir klein waren, hat unser Vater uns in alle Museen und Galerien mitgeschleppt", sagt sie lachend in ihrem ersten Interview mit einer deutschen Zeitung und einem ihrer raren Pressegespräche überhaupt. Als wäre die kindliche Prägung ein höherer Auftrag, hat sie sich nun also ein Projekt vorgenommen, das den väterlichen Beruf, die Mode, mit der väterlichen Leidenschaft, der Kunst, auf originelle Weise verbindet.
Delphine Arnault wäre eine allzu große Selbstdarstellerin, wenn sie selbst solche Lebenslinien zeichnen würde. Sie ist denn auch ganz anders, als man sich die stellvertretende Chefin des Hauses Dior, die Tochter eines für seinen Geschäftssinn bewunderten und für seine Durchsetzungskraft gefürchteten Unternehmers, die künftige Erbin eines Luxusimperiums und kommende wichtigste Frau der Modebranche vorstellen würde. Umringt von einem Riegel an PR-Leuten und umweht vom Hauch der Mehrfach-Milliardärin, ist sie im Gespräch in der Zentrale des Konzerns LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton an der Avenue Montaigne erfrischend umtriebig, vorausschauend kontrolliert und überraschend schüchtern. Diese Chefin kommt auf hohen Absätzen und auf leisen Sohlen daher.
Taschen neu interpretiert
Umso stärker ihr Auftritt mit einer schönen Idee. Sie hat den deutschen Künstler Anselm Reyle gebeten, Dior-Taschen neu zu interpretieren - ausgerechnet Reyle, der in seinem Atelier vor den Toren Berlins auch aus den Hinterlassenschaften der Überflussgesellschaft Kunstwerke macht. Delphine Arnault hat schon seit Jahren Werke des im Jahr 1970 geborenen deutschen Künstlers in ihrer großen Sammlung, die in Kürze in dem von Frank Gehry am Bois de Boulogne zu bauenden Museum der "Fondation Louis Vuitton pour la création" aufgehen wird.
Also bat sie ihn, an den klassischen Taschen wie zum Beispiel der "Lady Dior" zu arbeiten. Reyle kippt das typische Cannage-Muster, das dem Rohrgeflecht eines Stuhls nachempfunden ist, um 30 Grad, lässt die Taschen metallisch glänzen wie seine reflektierenden Folienbilder und versieht sie sogar noch mit neonfarbenem Faden. Die größeren Taschen, die Shopper und Totes, wertet er auf mit einem Widerspruch in sich selbst: nämlich einem kunterbunten Tarnmuster, das den Camouflage-Stil in der Mode ironisiert. Reyle, dessen Werke auch in den Sammlungen der Modemacher Marc Jacobs und Tom Ford zu finden sind, scheint Gefallen an seinem ersten großen Auftritt in der Modebranche gefunden zu haben: Außer den altbekannten Buchstaben "C" und "D" baumeln nun an der leuchtenden "Lady Dior" auch lustige bunte Acrylglas-Dreiecke. Wer für einen solchen Spaß gerade keine 2850 Euro locker hat, der kann sich mit Camouflage-Lidschatten billiger vergnügen.
Für Reyle ist die Zusammenarbeit eine eigenartige Erfahrung. Ihm wird zwar von Kunstkritikern immer wieder Oberflächlichkeit unterstellt, aber mit Mode hat er nicht allzu viel zu tun. Ob sein Ruf unter der Zusammenarbeit mit Dior leiden könnte? Da lacht der Künstler, der wie Arnault ausgewählte Gäste durch die Taschen-Ausstellung in der Konzern-Lobby führt, laut auf: "Mein Ruf ist sowieso nicht mehr zu retten."
Kein Wort zu Designer-Spekulation
Delphine Arnault lässt sich gar nicht beeindrucken von dem Einwand, die Kunst-Mode-Beziehung sei ja schon durch die Taschen des japanischen Künstlers Takashi Murakami für die zum väterlichen Konzern gehörende Marke Louis Vuitton ausgereizt worden. "Es ist wenig bekannt", sagt sie, "dass Christian Dior selbst Galerist war und enge Beziehungen zu bedeutenden Künstlern wie Max Ernst hatte, bevor er vor 80 Jahren in die Mode ging." In diese Tradition, die Dior auch als Modemacher etwa mit dem Zeichner René Gruau fortsetzte, will sie die bunten Taschen stellen. Ende November werden sie in einem Pop-up-Store während der Art Basel Miami Beach groß präsentiert. Und Anfang Januar kommen sie in ausgewählten Dior-Boutiquen in aller Welt in den Verkauf.