Wie erkläre ich’s meinem Kind? : Woran man Sexismus erkennt
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Sichtlich entsetzt: Ada Hegerberg wird bei der Ehrung zur besten Fußballerin der Welt zum „twerken“ aufgefordert. Bild: Reuters
Erst hat ein Moderator die beste Fußballerin der Welt vor allen Leuten gefragt, ob sie sexy tanzen kann. Dann haben sich viele gefragt, ob das jetzt sexistisch war. Dabei ist die Antwort kinderleicht.
In dieser Woche gab es große Aufregung um eine Preisverleihung. Die Norwegerin Ada Hegerberg wurde als beste Fußballerin der Welt ausgezeichnet, und zwar als allererste: Diesen Preis haben sonst immer nur Männer bekommen. Jetzt gibt es eben den weltbesten Fußballer und die weltbeste Fußballerin. Und dann sagte der Moderator etwas ziemlich Peinliches: Er fragte sie auf der Bühne, ob sie twerken, also einen sexy Tanz aufführen könnte. Ada Hegerberg sagte einfach Nein, aber viele Leute regten sich anschließend auf, weil diese Frage so sexistisch war. Und andere fragten, was denn daran sexistisch sei. Was genau Sexismus ist, wissen also auch viele Erwachsene nicht so genau. Es gibt auch immer wieder Männer, die jammern: „Was darf man denn heute überhaupt noch sagen oder tun? Alles wird als sexistisch ausgelegt!“
Dabei gibt es eine ganz simple Grundregel: Man erkennt eine sexistische Aussage daran, dass ein Mann sie niemals zu hören bekommen hätte. Im Fall von Ada Hegerberg ist es nämlich so, dass vorher mehrere Männer ausgezeichnet wurden, und keiner von ihnen wurde aufgefordert, sexy zu tanzen. Sexismus hat immer mit den Erwartungen zu tun, die an Frauen üblicherweise gestellt werden, und mit den Vorurteilen, die Frauen gegenüber gelten. In dem Fall also: Eine Frau muss hübsch und sexy sein, damit Männer was zu gucken haben. Also kann die hier doch mal für uns tanzen. Dass es eigentlich darum ging, dass Ada Hegerberg eine großartige Sportlerin ist – diese Freude nahm der Moderator ihr in dem Moment weg, weil er sie auf die Erwartungen reduzierte, die Männer an sie haben.
Aber Sexismus hat nicht unbedingt was mit Sexy-Sein zu tun und schon gar nicht mit Sex. Es geht meistens vielmehr darum, dass Frauen nicht richtig ernst genommen werden. Wenn also etwa ein Mann sagt: „Ach ja, Frauenparkplätze, die sind bestimmt extra groß, denn Frauen können ja bekanntlich nicht einparken.“ Dann sagt er damit, dass Frauen, nur weil sie Frauen sind, etwas schlechter können als er, nur weil er ein Mann ist. Das ist natürlich erstens totaler Unsinn und zweitens echt unverschämt. Oder wenn jemand sagt: „Wir reden hier über Politik, aber da laden wir keine Frauen dazu ein, die interessieren sich ja nur für Schuhe und Frisuren.“ Das ist nicht nur Unsinn und unverschämt, sondern es hält Frauen auch gezielt von wichtigen Diskussionen fern.
Wenn man also auf Nummer sicher gehen will, dass man sich nicht sexistisch äußert, kann man sich einfach überlegen: Würde ich das auch zu einem Mann sagen? Auch zu einem Mann, der größer und stärker ist als ich? Dann fallen solche Sätze wie „Na, was hast du dir denn in deinem hübschen Köpfchen ausgedacht“ ganz schnell weg.
Es gibt übrigens eine Diskussion darüber, ob es Sexismus nur von Männern gegenüber Frauen gibt. Einerseits ja, denn: Sexismus ist es nur, wenn das dominierende Geschlecht das unterdrückte Geschlecht abwertet. Nun kann man darüber streiten, wie unterdrückt Frauen heutzutage in Deutschland noch sind – aber man kann nicht darüber streiten, dass Männer Frauen jahrtausendelang als Menschen zweiter Klasse behandelt haben und dass man das heute noch spürt, gerade in diesen sexistischen Äußerungen. Frauen dürfen in Deutschland überhaupt erst seit hundert Jahren wählen und erst seit vierzig Jahren selbst entscheiden, ob sie einen Job haben wollen. Dass man von dieser Unterdrückung nicht innerhalb von ein paar Jahren dahin kommt, dass alle gleich gut behandelt werden, ist klar. Aber natürlich ist genau das das Ziel, und jedesmal, wenn ein Mann etwas Sexistisches zu einer Frau sagt, zeigt er ihr damit: Wir nehmen euch immer noch nicht ernst, ihr seid weniger wert. Deshalb tut das so weh.
Umgekehrter Sexismus könnte also nie diese Tragweite haben, weil die unschöne Geschichte dazu fehlt. Sprüche in diese Richtung kommen aus genau diesem Grund auch deutlich seltener vor. Aber, und das ist ganz wichtig: Es ist auch nicht okay, wenn eine Frau einen Mann auf ihre Vorurteile über ihn reduziert. Wenn also zum Beispiel eine Frau sagt: „Männer haben ja keine Ahnung, wie man mit Kindern umgeht, die kennen sich nur mit Autos aus.“ Andererseits darf man sich natürlich auch nicht wundern, dass Frauen Kindererziehung als ihren Bereich sehen und verteidigen, wenn Männer sie traditionell aus der Arbeitswelt ferngehalten haben.
Bis dahin ist also alles ziemlich klar: Man darf Menschen nicht auf ihre Zugehörigkeit zu einem Geschlecht reduzieren. „Frauen sind ja soundso“ ist meistens sexistisch, „Männer sind ja soundso“ ist meistens doof und oberflächlich. Aber wie ist es mit den guten Manieren, bei denen die Unterschiede zwischen Mann und Frau ja auch oft deutlich werden? Dass also zum Beispiel der Mann der Frau die Tür aufhält, dass er in ein neues Restaurant vorgeht, dass er auf der Treppe immer unterhalb von ihr geht, sie nach Hause bringt oder ihr in den Mantel hilft? Das sagt ja auch alles deutlich: „Ich bin der Mann, du bist die Frau, deshalb helfe ich dir hier und beschütze dich dort.“ Manchen Frauen stinkt das, andere finden es einfach nur freundlich. Und die meisten Frauen halten ja auch Männern die Türen auf, wenn es gerade passt.
Hier gibt es nur eine Lösung: Man muss eben darüber reden. Der Mann sollte also nicht einfach den Mantel hinhalten, sondern fragen: „Darf ich dir in den Mantel helfen?“ Das dauert zwei Sekunden und wirkt sehr wohlerzogen. Wenn die Frau Nein sagt, weiß er Bescheid und ist ihr nicht zu nahe getreten. Und wenn eine Frau wirklich Hilfe braucht, kann sie das einfach sagen – übrigens genauso wie der Mann. Denn in den Mantel geholfen zu bekommen, ist wirklich total praktisch und komfortabel. Egal ob ein Mann ihn hinhält oder eine Frau.
Eine illustrierte Auswahl von Beiträgen unserer Kolumne „Wie erkläre ich’s meinem Kind?“ ist bei Reclam erschienen.
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