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Wie erkläre ich’s meinem Kind? : Warum Gähnen ansteckend ist

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Anstecken kann es schon, auch wenn es selbst noch immun ist: gähnendes Baby Bild: Picture-Alliance

Über das Gähnen sind sich Wissenschaftler erstaunlich uneins. Für die Erkenntnis, dass es ansteckend ist, braucht es keine Forschung. Mit einer Erklärung tut man sich allerdings noch schwer.

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          Wir Menschen fangen damit an, bevor wir überhaupt geboren sind: Wir gähnen schon im Mutterleib. Hunde und Katzen tun es, Löwen besonders eindrucksvoll, aber auch Affen, Vögel, Schildkröten. Bei Giraffen und Walen hingegen hat man es noch nicht beobachten können, so toll es auch aussehen müsste. Tiere tun es aus den unterschiedlichsten Gründen – manche Pinguine, um einander zu begrüßen, Schlangen, um die Kieferknochen wieder zu sortieren, nachdem sie ein Beutetier verschlungen haben, Hunde, um nach einer Ruhepause wieder in Gang zu kommen, aber auch mal aus Verlegenheit, und manche Affen, um zu drohen. Warum wir Menschen es tun, wissen wir selbst nicht genau. Und warum es auch noch ansteckend ist, erst recht nicht. Es gibt aber ein paar Hinweise.

          Fridtjof Küchemann
          Redakteur im Feuilleton.

          Schon für die alten Griechen war das Gähnen ein rätselhafter Vorgang. Im Grunde ist es das immer noch. Kein Wunder, dass sich seltsame Geschichten und einiger Aberglauben damit befassen. Gähnen ist gefährlich, fand man lange Zeit: Die Seele könnte dabei durch den weit geöffneten Mund abhandenkommen. Oder schlimmer noch: Der Teufel könnte hineinschlüpfen. Lange war es deshalb üblich, dann nicht nur schnell die Hand vor den Mund zu nehmen, sondern auch ein Kreuz vor dem gähnenden Mund zu schlagen, um das Böse fernzuhalten.

          Gähnen tut gut, so viel wissen wir inzwischen, und es hilft nichts zu versuchen, sich dabei zu benehmen: Wer nur einmal versucht, durch die Nase zu gähnen oder die Zähne zusammenzuhalten, merkt gleich, dass ein unterdrücktes Gähnen irgendwie steckenbleibt. Dabei möchte man dabei doch nicht nur den Mund so weit aufreißen, wie es nur irgend geht, sondern sich am liebsten auch noch strecken und dehnen.

          Ein paar wissenschaftliche Erkenntnisse und Ideen: Beim Gähnen wird einer unserer Mittelohrmuskeln gestreckt. Es kommt zu einem Druckausgleich, der uns zum Beispiel hilft, wenn wir im Flugzeug Druck auf den Ohren haben. Unsere Wahrnehmung wird mit dem Gähnen geschärft. Nicht schlecht. Es zeigt aber auch, dass unsere Wahrnehmung gerade eine Schärfung braucht. Nicht so gut. Beim Gähnen kühlen wir unser Hirn. Man hat bei Leuten, deren Körpertemperatur künstlich erhöht wurde, bemerkt, dass sie mehr gähnen. Aber dass es ein Kühlreflex ist, dass sie es aus diesem Grund tun, steht damit noch nicht fest.

          Streng genommen, ist das Gähnen nicht einmal ein Reflex. Es könnte, meinen manche Forscher, einer von diesen uralten Automatismen mit eigentlich sozialer Bedeutung sein: Wer gähnt, zeigt den anderen in einer Gruppe, einer Horde oder einem Stamm, dass seine Aufmerksamkeit nachlässt. Falls er gerade Wache hat, wäre es an der Zeit, ihn abzulösen. Schlecht ist die Idee zumindest nicht, und sie gilt immer noch: Wenn der Fahrer im Auto gähnt, ist die Frage nach einem Päuschen oder einer Ablösung am Steuer durchaus angebracht.

          Dabei kann Gähnen ein Zeichen von Müdigkeit, Unkonzentriertheit oder Langeweile sein, muss es aber nicht. Da haben psychologische Experimente zu keinem Ergebnis geführt, das man verallgemeinern könnte. Aber für den kuriosen Umstand, dass Gähnen ansteckend ist, braucht man noch nicht einmal eine psychologische Bestätigung. Wenn man jemanden gähnen sieht, wenn man nur davon liest oder es hört, reicht das oft schon aus, und man macht es nach.

          Das gilt für manche Tiere – es gibt entsprechende Experimente mit Hunden und mit Schimpansen – und für fast alle Menschen. Das könnte auch wieder ein Hinweis darauf sein, dass das Gähnen ursprünglich eine Funktion in Gruppen hatte. Leute, denen es schwerer fällt, sich in andere hineinzuversetzen, lassen sich allerdings weniger häufig anstecken. Kein Wunder: Beim Gähnen, haben Hirnforscher entdeckt, sind die gleichen Areale im Kopf aktiv wie beim Einfühlen. Interessanter noch: Bei Babys klappt es gar nicht. Erst im Alter von etwa vier Jahren lässt sich der Mensch vom Gähnen anstecken. Auch wenn er wirklich früh genug von sich aus damit angefangen hat.

          Noch mehr Antworten auf neugierige Kinderfragen
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