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Eine Frage der Schere

Von JENNIFER WIEBKING

19. Oktober 2021 · Diese drei Designerinnen fertigen aus vorhandenen Stoffen neue Kleidungsstücke und neuen Schmuck. Lilian von Trapp, Jeanne de Kroon und Eugenie Schmidt zeigen uns Upcycling-Entwürfe, die Sie zu Hause nachmachen können.


Lilian von Trapp

Foto: Jens Gyarmaty

EIN UNISEX-RING AUS METALLDRAHT
Als die Mutter vor einigen Jahren starb, vererbte sie Lilian von Trapp ihren alten Familienschmuck. Darunter waren Stücke, zu denen die Tochter eine enge emotionale Bindung hat und die sie hütet. Andere waren aus hochwertigem Gold und mit Steinen besetzt, ohne dass sie der damaligen Einkäuferin im KaDeWe besonders viel bedeuteten. Das Erbe der Mutter sollte die Grundlage für das eigene Label der Tochter werden. Lilian von Trapp ließ die Steine aus den Stücken herauslösen, das Gold einschmelzen und nach eigenen Entwürfen neuen Schmuck fertigen. 2017 lancierte sie ihre Marke unter ihrem Namen. Besonders bekannt sind mittlerweile ihre Unisex- und Eheringe abseits des Standard-Angebots. In Berlin vereint die 33 Jahre alte Designerin heute Goldschmiede, Atelier und Verkaufsgeschäft an der Kurfürstenstraße unter einem Dach und bedient sich noch immer an dem, was schon im Kreislauf ist: recyceltem Gold.

Foto: Jens Gyarmaty

MAN BRAUCHT:
1 |
Scharfe Küchenschere, Nagelfeile, Metalldraht, Küchenwerkzeuge, deren Stäbe etwa der Größe von Fingern entsprechen. Dafür am besten den Umfang ausmessen, vergleichen und nur Stäbe verwenden, die ganz rund sind. Für einen Damenring verwenden wir einen Sparschäler, für einen Herrenring einen Schneebesen. Wer ein Stück basteln möchte, das noch hochwertiger ist, kann statt Metalldraht auch beim Goldschmied Silberdraht oder Golddraht kaufen.

Foto: Jens Gyarmaty
Foto: Jens Gyarmaty

2 | Draht aufdröseln und die Länge so abmessen, dass sich die Enden des Drahts mit ausgebreiteten Armen in beiden Händen halten lassen. Draht abschneiden. Den Draht auf dem Schneebesen so platzieren, dass vom einen Ende ein fingerbreites Stück absteht. Draht engmaschig um den Schneebesen wickeln, erst parallel auffädeln, dann nach fünf, sechs Drehungen überkreuz gehen.

Foto: Jens Gyarmaty
Foto: Jens Gyarmaty

3 | Sobald das Ende des Drahts absehbar ist, die Form des Rings gestalten: Ein geradlinigeres Stück entsteht, indem man wickelt, ein voluminöseres, wenn es öfter überkreuz geht. Ring vom Werkzeug nehmen, das abstehende Drahtende mit der Schere so abschneiden, dass es sich im Ring verstecken lässt.

Foto: Jens Gyarmaty
Foto: Jens Gyarmaty

4 | Scharfe Kanten an den Enden mit der Feile bearbeiten, damit sie weicher werden. Mit der spitzen Ecke der Feile lässt sich das Ende des Drahts auch sehr gut ins Ring-Gebilde schieben. Selbstgebastelten Ring tragen, kombinieren, verschenken!


Jeanne de Kroon

Foto: Nerea Lakuntza

ALTE STOFFE NATÜRLICH FÄRBEN
Vier Jahre lang führte Jeanne de Kroon ihr Label Zazi von Berlin aus, fertigte aus alten Teppichen aus Tadschikistan neue Mäntel und nähte aus alten Stoffen aus dem Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Usbekistan neue Kleider. Sie selbst war häufig in diesen Regionen unterwegs. Dann kam die Corona-Pandemie, und Jeanne de Kroon wurde im Zuge der Rückholaktion im Frühjahr 2020 aus Indien ausgeflogen. Weil sie eigentlich aus den Niederlanden kommt und nur ihre Marke in Berlin ansässig war, landete sie in Amsterdam – und blieb. Sie richtete sich auf einem Hausboot aus den siebziger Jahren ein und eroberte sich ein coronakonformes neues Hobby: das Färben mit natürlichen Stoffen. So hält es die Achtundzwanzigjährige auch mit den Kleidern, die sie unter ihrem eigenen Label verkauft. „Ich arbeite mit zwei Frauen in Mumbai zusammen, die jeden Morgen an den Tempelstätten Blüten sammeln und damit anschließend unsere Kleider färben.“ Wer den Schwestern bei Instagram folgen möchte: @akane.studio. Bei der Textilfärberei gehe es vor allem um das Experimentieren. Als Jeanne de Kroon selbst vor anderthalb Jahren loslegte, bekam sie folgenden Tipp: „Pflücke einfach die Blumen, die dir gefallen, und lege sie in einen Topf.“ Zwiebeln und Essig seien unerlässlich. Die Stoffe auf dieser Seite färbt de Kroon dazu mit Hilfe von Kurkuma und Krappwurzel ein.

Foto: Nerea Lakuntza

MAN BRAUCHT:
1| Ein gewaschenes T-Shirt oder Tuch, je nachdem, was man färben möchte. Dabei unbedingt darauf achten, dass das Stück zu 100 Prozent aus natürlichen Fasern besteht, also aus Baumwolle, Leinen oder Seide. Künstliche Fasern lassen sich nicht einfärben.

FÜR EIN GELBES FARBBAD:
1 TL gemahlene Kurkuma
4 gelbe Zwiebeln
1 EL Essig

FÜR EIN PINKES FARBBAD:
1 TL Krappwurzel
4 rote Zwiebeln
4 Avocados
1 EL Essig

Foto: Nerea Lakuntza

2 | Zwiebeln schälen und die Schale beiseite stellen. Avocados schälen, entkernen, Schale und Kerne beiseite stellen. Avocadofleisch aufessen, zum Beispiel auf Toast. Schale und Kerne müssen nicht frisch sein. Man kann sie auch über längere Zeit hinweg sammeln und dann nutzen, wenn sie zum Einsatz kommen sollen.

Foto: Nerea Lakuntza
Foto: Nerea Lakuntza

3 | Pro Farbbad einen Topf anrichten mit Gewürz, Schalen und Kernen. Dann den Essig zugeben. Anschließend die Mischung mit so viel Wasser auffüllen, dass es eine Art Suppe ergibt.

Foto: Nerea Lakuntza

4 | Den Stoff hinzugeben. Die Mischung eine Stunde lang auf mittlerer Stufe köcheln lassen. Öfter mal umrühren und prüfen, dass auch in die Falten genügend Farbe gelangt.

Foto: Nerea Lakuntza

5 | Stoff vorsichtig aus dem Farbbad nehmen und gut trocknen lassen. Die Farbe lässt sich anschließend auch noch weiterverwenden, man kann mit ihr zum Beispiel Postkarten mit Motiven bemalen.


Eugenie Schmidt

MAKRAMEE-SCHMUCKSTÜCK AUS EINEM ALTEN SHIRT
Schmidttakahashi ist um einige Silben verkürzt worden. Eugenie Schmidt und Mariko Takahashi hatten 2010 damit begonnen, ein eigenes Label aufzubauen. Sie nannten es Schmidttakahashi, führten es vier Jahre gemeinsam, dann trennten sie sich. In diesem Herbst lanciert Eugenie Schmidt zum zweiten Mal ein Label und nennt es Schmitd, ja mit „-td“ am Ende. Die 42 Jahre alte Designerin kam im Alter von elf Jahren mit ihrer Familie aus Tadschikistan nach Deutschland und wuchs in Bayern auf. Mit 18 zog sie nach Berlin, begann an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ein Modedesign-Studium und beendete es mit Unterbrechungen in Weissensee. Es folgte das eigene Label, anschließend hatte sie Beratungsjobs, dann kam der Lockdown. Und Eugenie Schmidt begann wieder, mit vorhandenen Reststoffen handwerklich zu arbeiten.
„Zuvor habe ich nur noch am Computer gesessen und administrative Aufgaben erledigt. Erst so wurde mir bewusst, was mir eigentlich fehlt.“ Mit einer Altkleiderspende der Wiederverkaufsplattform Momox fertigte Eugenie Schmidt eine Serie Jacken – die Basis dessen, was jetzt Schmitd werden soll: Stücke, die Männern und Frauen passen, sich in keinen Kollektionsrhythmus fügen und ausschließlich aus alten Stoffen entstehen. Makramee wird auch eine Rolle spielen. Ein Tutorial zu dieser Bastelanleitung zeigt Eugenie Schmidt bei Instagram: @studio_schmitd.

Foto: Jens Gyarmaty

MAN BRAUCHT:
1 | Geodreieck, scharfe Schere, Stoffkreide oder Seife. Außerdem ein altes Oberteil mit langen Ärmeln und schönem Ausschnitt. Sowohl Rundhals als auch V-Neck funktionieren, nur nicht allzu klein sollte der Ausschnitt sein. Je verwaschener der Stoff, umso besser funktioniert später die Knüpftechnik.

Foto: Jens Gyarmaty

2 | Mittellinie einzeichnen und den Mittelpunkt am Ausschnitt schwach markieren. Das ist später beim Knoten wichtig. Von der Mittellinie aus auf Vorder- und Rückseite des Oberteils weitere Linien einzeichnen, die jeweils bis zum Ausschnitt laufen. Die Linien sollten im Abstand von einem Zentimeter zueinander stehen. Anschließend Streifen schneiden.

Foto: Jens Gyarmaty

3 | Wenn alle Streifen geschnitten sind, hält man ein Gerippe in der Hand, das etwa so aussehen muss. Dann geht es ans Knoten: Der ganz rechte Strang ist der Rippenstreifen, ihn in die linke Hand nehmen, festhalten. Dann jeden Streifen von unten nach oben durch die Schlaufe um den Rippenstreifen wickeln.

Foto: Jens Gyarmaty

4 | Diesen Schritt so häufig wiederholen, bis man am Mittelpunkt angelangt ist. Dieselbe Technik nun in die andere Richtung wiederholen. Der neue Rippenstreifen ist nun der am Mittelpunkt gelegene ganz äußere. Rippen beliebig gestalten.

Foto: Jens Gyarmaty

5 | Am Ende die Schlaufen gut festziehen. Das Stück lässt sich anschließend tragen, als wäre es ein übergroßes weiches Collier.


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Quelle: Frankfurter Allgemeine Magazin

Veröffentlicht: 19.10.2021 10:34 Uhr