Der Teufelsrochen
Von BORIS SCHMIDT4. Oktober 2020 · Der Opel Manta wird 50. Gestartet im Herbst 1970, wurde er vor allem durch den Kino-Kassenschlager „Manta, Manta“ berühmt.
Um eines gleich vorweg zu klären: Nein, kein einziger der fast 50 Mantas, die zur Geburtstagsparty nach Timmendorfer Strand gekommen waren, hatte einen Fuchsschwanz an der Antenne. Dennoch scheint der Opel Manta untrennbar mit diesem Accessoire verbunden zu sein. Fast jeder, dem wir von dem Treffen und dem Plan, selbst mit einem alten Manta an die Ostsee zu fahren, erzählten, fragte danach. Der Film „Manta, Manta“, 1991 gedreht mit dem noch jungen Til Schweiger an der Seite von Tina Ruland in den Hauptrollen, hat das Bild des Coupés über Gebühr geprägt. Sogar Manta-Witze waren eine ganze Weile populär. Der Streifen spielt im Ruhrgebiet, mehr oder weniger im Arbeitermilieu, das oder die Autos haben die eigentliche Hauptrolle. Er war ein Kassenschlager, der Durchbruch für Schweiger, und die Gerüchte, dass es einen zweiten Teil geben soll, sind bis heute nicht verstummt.
Dabei war der Manta 1991 schon drei Jahre nicht mehr auf dem Markt. Bis 1988 war der meist in Antwerpen produzierte Manta B in gut 530000 Einheiten gebaut worden, und das schon seit 1975, kein einzelnes Opel-Modell ist jemals länger vom Band gelaufen. Und bis zum Schluss übrigens mit einer starren Hinterachse, die in ihren technischen Grundzügen schon in den 1960er Jahren im Kadett verbaut worden war. Das Erbe des Manta trat schließlich 1990 der Calibra an, der auf dem Opel Vectra basierte. Die Ära der technisierten Modellbezeichnungen bei Opel nahm fortan ihren Lauf.
Früher waren Namen und Formen schöner, technischer Zwilling des Manta ist der Ascona, beide waren Neuentwicklungen und debütierten 1970, wobei der Ascona als Familienkutsche die Lücke zwischen dem kleinen Kadett und dem großen Rekord schloss. Dem Manta fiel die Rolle des Capri-Jägers zu. War doch der Ford Capri ein ähnlich gestricktes Coupé, das 1969 auf den Markt gekommen war und sich gut verkaufte. Das konnte Opel nicht auf sich sitzenlassen. So hieß es seinerzeit zur Vorstellung an der Ostsee: „Das Auto, das wir Ihnen heute präsentieren, stempelt kein anderes Modell zum alten Eisen, sondern gesellt sich zu unserem bisherigen Programm als wirkungsvolle Ergänzung und zur Deckung eines neu entstandenen Bedarfs.“ Später gaben die Verkaufszahlen den Produktplanern recht, bis Sommer 1975 konnten fast 500000 Manta abgesetzt werden, in fünf Jahren also fast so viele wie der B-Manta in 13 Jahren schaffte. Zwei Drittel der Produktion gingen ins Ausland, auch nach Amerika.
Marktstart beim Händler war Ende September, zwei Monate vor dem Ascona. Die Pressevorstellung ging Anfang des Monats im damals neuen Maritim-Hotel in Timmendorfer Strand über die Bühne. Das ist der Grund, warum sich die Manta-Fans am vergangenen Wochenende an der Ostsee trafen. Ausschließlich A-Modelle waren geladen, zwei Ascona durften dabei sein. Angereist wurde aus ganz Deutschland, anhand der Kennzeichen war doch ein gewisser Schwerpunkt für den Manta-Freund aus dem Norden erkennbar, aber auch ein Münchner hatte die 1000 Kilometer einfache Fahrt nicht gescheut.
Der Autor dieser Zeilen hat die Tour an die Ostsee mit einem von Opel Classic zur Verfügung gestellten Manta absolviert und auf der Hinreise von Frankfurt am Main aus noch einen Schlenker über Leipzig, Dessau und Lübeck eingebaut. Es war also mehr als Zeit genug, den Manta kennenzulernen. Erstaunlich ist, wie unproblematisch die gesamte Reise vonstattenging. Dem alten Werbespruch „Opel, der Zuverlässige“ machte der 45 Jahre alte Manta aus dem letzten Baujahr der A-Serie alle Ehre. Er sprang stets sofort an, dank der Startautomatik musste man sich nicht mehr mit einem Choke und schlechten Kaltlaufeigenschaften abquälen. Er ist ein überraschend modernes Auto, das sich problemlos fährt, gut federt und mit 90 PS auch so weit ausreichend motorisiert ist. Da der 4,34 Meter lange Wagen nur knapp eine Tonne wiegt, ist er einigermaßen flott, der 1,9-Liter-Motor aus dem Rekord beeindruckt zudem mit einer hohen Elastizität. In der Spitze sind sogar 170 km/h möglich, aber wer mit einem Oldtimer durch Deutschland tourt, hat es in der Regel nicht eilig. 110 bis 120km/h waren das Marschtempo, der Verbrauch von fast 13 Liter Super auf 100Kilometer ist aus heutiger Sicht natürlich zu hoch. Da der Tank nur 46 Liter fasst, liegt die sichere Reichweite bei knapp 350 Kilometer, da ist man heute anderes gewohnt. Je nach Belastung schwankten die Werte auf den verschiedenen Etappen stark zwischen 10,9 und 15,2 Liter. Zugegeben, mit der 60-PS-Basiversion wird es sich nicht ganz so kommod fahren.
So gut der Manta fährt, so schön sieht er auch aus. Der Wagen ist ein unheimlicher Sympathieträger, selbst abseits des Manta-Treffens wurden wir immer wieder darauf angesprochen: „Sie haben aber ein schönes Auto.“ Viele Daumen gingen hoch, oder es wurde einfach gewinkt. Als vor der Rückgabe in Rüsselsheim noch mal getankt wurde, sagte der Mann an der Kasse: „Fahren Sie schön langsam vom Hof, damit ich noch mal gucken kann.“
Kein Wunder, schrieb doch die F.A.Z. am 9. Sptember 1970: „Die Karosserie zeigt italienische Eleganz, vereint mit europäischer Gedrungenheit und Zweckmäßigkeit. Nebeneinanderliegende Doppelscheinwerfer geben dem breiten Kühlergrill sein charakteristisches Gepräge. Die flache Motorhaube ist in ihrer Verlängerung bis über die Scheinwerferpaare vorgezogen. Die Haube selbst ist wie bei Hochleistungssportwagen vorn angeschlagen. Das flach verlaufende Dach der strömungsgünstigen Karosserie geht stufenlos in das sportliche Abreißheck mit vier großen runden Leuchteinheiten über. Eine niedrige Gürtellinie und große Fensterflächen geben gute Sicht nach allen Seiten.“
Verantwortlich für die Linien ist der in Kentucky geborene amerikanische Designer George Gallion, der mit seiner deutschen Frau, einer Auswanderin, die er in Amerika kennen und lieben gelernt hatte, Ende der 1960er Jahre eigentlich nur für drei Jahre von General Motors zur Tochtergesellschaft nach Rüsselsheim sollte, dann aber für immer im Rhein-Main-Gebiet blieb. Gallion lacht: „Meine Frau ist sozusagen ein Re-Import.“ Heute leben beide in Schlangenbad bei Wiesbaden, Gallion ist 83 Jahre alt, aber noch fit. Er hat es sich nicht nehmen lassen, selbst zu dem Treffen zu kommen, und obwohl er der wichtigste Gast war, sind ihm Starallüren fremd. Bescheiden blieb er im Hintergrund, hatte aber für alle Teilnehmer eine auf 50 Stück limitierte Zeichnung des Manta aus seiner Feder mitgebracht.
Wie es 1970 war? Schon damals sei großer Aufwand in der Namensfindung für ein neues Modell betrieben worden. Einige Vorschläge waren im Rennen, unter anderem auch Monza (was später zu Ehren kommen sollte). Gallion erzählt weiter: „Tiernamen für Autos waren Zeitgeist. In Amerika waren der Ford Mustang und die Corvette Stingray erfolgreich. Größtes Problem war das Emblem, das den Wagen zieren sollte, es gab keine geeignete Vorlage, und weil es schnell gehen musste, flog ich kurzerhand nach Paris, um im Archiv des damals populären Meeresforschers Jacques Cousteau nach einer geeigneten Vorlage zu suchen. Stundenlang. Bis endlich eine Einstellung zu sehen war, in der ein gigantischer Teufelsrochen von unten gegen den hellen Himmel gefilmt war. Bingo. Das war es. Ein Riesenfang. Der Opel Manta hatte endgültig seine Identität gefunden und bekam fortan ein verchromtes Emblem an die vorderen Kotflügel geschraubt.“
Der Rest ist Automobilgeschichte. Heute gehört der Manta zu den bekanntesten klassischen Autos, und Opel verweist beim neuen Mokka stolz darauf, dass die Front Anleihen beim Manta mache. Ach ja, einen kleinen Fuchsschwanz haben wir dann doch noch an einem der teilnehmenden Autos entdeckt.
Quelle: F.A.S.
Veröffentlicht: 05.10.2020 09:44 Uhr
