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Klimawandel : Handel rückt Herstellung von Palmöl in den Fokus

  • -Aktualisiert am
Abbau in Malaysia: Aus Südostasien kommt der Großteil des Palmöls

Abbau in Malaysia: Aus Südostasien kommt der Großteil des Palmöls Bild: dpa

Palmöl gilt als Gefahr für den Regenwald und Treiber des Klimawandels. Deutsche Unternehmen wollen reagieren und ihre Lieferketten umstellen. Henkel, Rewe und Unilever initiieren dafür ein „Forum für nachhaltiges Palmöl“, andere folgen.

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          Zahlreiche deutsche Unternehmen wollen künftig zertifiziertes nachhaltiges Palmöl verwenden und entsprechend ihre Produktion und Lieferketten umbauen. Henkel, Rewe und Unilever initiieren dafür ein „Forum für nachhaltiges Palmöl“, das die Umstellung in Deutschland, der Schweiz und Österreich fördern soll. Zu einem ersten Treffen sind Mitte Mai Vertreter fast aller großen Handelsunternehmen nach Berlin gekommen. „Wir wollen den gesamten Sektor von der kleinen Fabrik bis zum großen Produzenten mitnehmen und am Ende die Nachfrage von nachhaltigem Palmöl ganz klar maximieren“, sagt Ludger Breloh, Leiter des Strategischen Einkaufs der Rewe-Gruppe.

          Jan Hauser
          Redakteur in der Wirtschaft, verantwortlich für Immobilien.

          Palmöl beziehungsweise Palmkernöl ist Bestandteil vieler Kekse, Schokoriegel, Waschmittel und Kosmetikartikel. Es wird als pflanzliches Öl auf der Verpackung angegeben. Der Anbau ist bei weitem effektiver als für andere Pflanzenöle, steht aber als Treiber des Klimawandels in der Kritik, weil dafür in Südostasien Regenwald gerodet werden soll (siehe Die Palmölindustrie brennt wieder Wälder ab). Deutsche Unternehmen wollen dem nun entgegentreten und nachhaltiges Palmöl verwenden, dessen Anbau die Natur vergleichsweise schont.

          Mehr als 100 Personen aus Handel, Nichtregierungsorganisationen und Ministerien nahmen an der ersten Veranstaltung teil. „Unter den Teilnehmern gibt es einen hohen Grundkonsens, auf zertifiziertes Palmöl umzustellen“, sagt Martina Fleckenstein vom WWF. Die Naturschutzorganisation gehört mit zu den Initiatoren des Forums - wie die drei Handelsunternehmen und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). In einer anonymen Umfrage am Ende der Veranstaltung bekundeten 75 Prozent der Teilnehmer ihr Interesse, an dem Forum mitzuarbeiten. In einer Arbeitsgruppe organisieren sie jetzt, dass sich das „Forum für nachhaltiges Palmöl“ im Herbst wie geplant offiziell gründet.

          Für die Produktion entstehen vor allem in Indonesien und Malaysia riesige Plantagen
          Für die Produktion entstehen vor allem in Indonesien und Malaysia riesige Plantagen : Bild: AP

          Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 51 Millionen Tonnen Palmöl und Palmkernöl verwendet, davon 6,3 Millionen Tonnen in der Europäischen Union sowie 1,3 Millionen Tonnen in Deutschland. Die mit Abstand größten Exporteure von Palmöl sind Indonesien und Malaysia. In Deutschland dürften etwa eine Million Tonnen Palmöl im Jahr allein im Lebensmittel- und Konsumgüterbereich zum Einsatz kommen, schätzt Fleckenstein. Um diese Menge könnte es gehen, wenn die Unternehmen ihr Vorhaben in die Tat umsetzen. „Das ist im Verhältnis wenig, aber es hat eine enorme Signalwirkung“, sagt sie.

          Fischer lobt die Avantgarde

          Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer hielt einen Gastvortrag, mit dem er die Teilnehmer unterstützen wollte. Das „Forum für nachhaltiges Palmöl“ beschrieb Fischer als Avantgarde, von der entscheidende Impulse für die Lösung der ökologischen und sozialen Problemlagen in den Anbauländern ausgehen könnten. Er berät die Rewe-Gruppe seit September 2010 in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.

          Der Grund, weshalb sich Unternehmen dem Forum anschließen wollen, liegt für die WWF-Vertreterin Fleckenstein auf der Hand: „Das Bewusstsein ist einfach gestiegen, dass sich Palmöl negativ auf die Lebensräume und die Menschen vor Ort auswirkt.“ Es sei jedoch auch eine Reputationsfrage. „Keiner will ein schlechtes Image beim Verbraucher bekommen.“ In den vergangenen Jahren hatte Greenpeace Kampagnen gegen eine Kosmetiklinie von Unilever und einen Schokoriegel von Nestlé gestartet, die deren Inhaltsstoff Palmöl geißelte - bis die Unternehmen versprachen, in Zukunft nachhaltiges Palmöl zu verwenden.

          Das Öl in der Pizza, im Keks und der Margarine

          Bis die deutschen Unternehmen wirklich nachhaltiges Palmöl in ihren Produkten verkaufen, wird es allerdings dauern. Die Umstellung dürfte ein bis zwei Jahre dauern, wenn strikt getrenntes Palmöl verwendet wird. „Zertifikate kann man sofort kaufen, aber das ist uns zu wenig“, sagt Fleckenstein. „Wir wollen, dass man genau weiß, von welcher Plantage das Palmöl in der Pizza, im Keks und in der Margarine kommt.“

          Rewe braucht im Jahr etwa 10 000 Tonnen Palmöl und hat in diesem Jahr von den Herstellern ihrer Eigenmarken verlangt, dass diese bis Ende 2011 zeigen, wie sie nur noch nachhaltiges segregiertes Palmöl verwenden können. Das Öl muss dafür auf dem kompletten Transportweg aus Asien separiert und in getrennten Tanks geliefert werden. Jeder Betrieb muss sich dies zertifizieren lassen. Einige haben schon umgestellt, in anderen läuft der entsprechende Prozess. „Ich gehe davon aus, dass wir die Umstellung auf Segregation bis nächstes Jahr geschafft haben“, sagt Rewe-Einkäufer Breloh. Wer den Betrieb umstellt, muss sich entscheiden, ob er getrennte Produktionssysteme verwendet - zwei Tanks, zwei Leitungen - oder auch seine anderen Produkte mit nachhaltigem Palmöl produziert.

          Zu lasche Regeln

          Zudem will das deutsche Forum auch Einfluss auf den internationalen „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO) nehmen, der Palmöl zertifiziert. Umweltschützer werfen dieser Organisation zu lasche Regeln vor. Zahlreiche Palmölproduzenten seien Mitglieder, die gar nicht oder nur in geringem Umfang nachhaltig arbeiteten. Fleckenstein vom WWF kritisiert etwa, dass der RSPO noch den Anbau auf Torfflächen in begrenztem Umfang erlaubt. „Wir wollen, dass überhaupt keine Ölpalme auf Torfböden angebaut wird“, sagt sie. Auch sollten Ziele, um das Treibhausgas zu reduzieren, verpflichtend aufgenommen werden.

          Mehr als 40 der 500 RSPO-Mitglieder kommen aus Deutschland, darunter Bahlsen, Bayer Cropscience, Beiersdorf, Frosta, Haribo und Henkel. Die Rewe-Gruppe beabsichtigt ebenfalls, Mitglied zu werden. „Es macht gerade Sinn, den RSPO als Basis zu akzeptieren - mit all seinen Schwächen“, sagt Breloh. „Aber erst wenn das Forum eine dauerhafte und wirklich nachhaltige Nachfrage erzeugt, können wir als Marktpartner Forderungen stellen und Einfluss auf die Standards nehmen.“

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